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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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gab mehrere Spiegel, aber keine Familienbilder. Und alles wirkte irgendwie gerade, eckig, kantig. Ich sah nirgends etwas Rundes oder Geschwungenes, als wir Pietr durch einen Flur mit exakt aneinanderliegenden orientalischen Läufern zum Wohnzimmer folgten.
    Ich erkannte Pietrs Familie auf den ersten Blick wieder. Seine beiden Brüder strichen ihre Shirts und ihre Haare glatt. Anscheinend hatten sie sich von ihrer Rauferei schnell wieder erholt. Vielleicht war das ganz normal, wenn so viel ungezügeltes Testosteron auf einem Haufen war. Hinter ihnen saß das Mädchen und sah aus, als sei nichts geschehen. Was die Situation für mich umso merkwürdiger machte.
    Pietr stellte uns vor. » Das sind meine Brüder. Maximilian… «
    » Max « , korrigierte er. Er sah höchstens ein oder zwei Jahre älter aus als Pietr und lächelte mit strahlend blauen Augen und blitzenden Zähnen.
    » Max « , murmelten wir einvernehmlich. Er sah in jeder Hinsicht gut aus. Er lächelte freundlich, aus seinen Augen blitzte der Schalk. Seine Haare waren eine Nuance dunkler als Pietrs und an den Spitzen leicht gelockt, was ihm ein jungenhaftes Aussehen verlieh und seinen Charme betonte.
    » Und das ist Alexi, unser ältester Bruder und Vormund « , fuhr Pietr fort.
    Verglichen mit seinen Geschwistern, war Alexi eher eine Überraschung. Er war ungefähr so groß wie Max und ungefähr so schlank wie Pietr. Eigentlich war Alexi die am wenigsten beeindruckende Erscheinung unter den Geschwistern, trotzdem strahlte er Autorität und Stärke aus. Er forderte Respekt ein, daran hatte ich keinen Zweifel.
    Max und Alexi trugen Halsketten, die der von Pietr fast genau glichen. Ich überlegte, ob das typisch russisch oder typisch Rusakova oder beides war.
    » Sehr erfreut, euch kennenzulernen, meine Damen « , sagte Alexi mit einer galanten Verbeugung.
    Pietr zeigte der Reihe nach auf uns. » Sarah. «
    » Ich habe schon viel von dir gehört, Sarah « , säuselte Alexi.
    Sarah strahlte und stellte mich vor. » Jessica. «
    » Nett, dich kennenzulernen « , sagte Alexi, als hätte er meinen Namen noch nie gehört.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln. Mir kam das alles schrecklich peinlich vor. Vielleicht erinnerte er sich nicht, mich an Pietrs erstem Schultag gesehen zu haben, aber hätte er nicht wenigstens etwas über mich hören müssen?
    Pietr stellte Amy vor. Max erkannte sie gleich wieder.
    » Ah, auf französisch bedeutet amie ›Freundin‹ « , bemerkte Alexi und lächelte charmant.
    » Komm nur nicht auf dumme Gedanken, Freundchen « , entgegnete Amy und erwiderte das Lächeln.
    Alexi lachte, ein tiefes, wohlklingendes Lachen. » Wirklich wundervolle Mädchen, Pietr « , gratulierte er. » So hübsch und bestimmt sehr klug. «
    Das Mädchen hinter ihm räusperte sich.
    » Oh, da « , sagte Alexi entschuldigend.
    » Unsere Schwester. Die schöne Catherine. «
    » Pietrs Zwillingsschwester « , gab sie bekannt.
    Wahrscheinlich blieb uns allen der Mund offen stehen. Sie lachte, die dunklen Locken, die ihr Gesicht umrahmten, hüpften hin und her. Mit ihren hohen Wangenknochen, ihrer markanten Nase und den strahlenden Augen sah sie aus wie aus einem alten Märchenbuch entsprungen.
    » Ich merke schon, dass Pietr euch vieles nicht erzählt hat. « Wieder lachte sie, aber ich hatte das Gefühl, dass das Lachen eine gewisse Schärfe enthielt. Mir fiel sofort auf, dass ich sie bis auf jenen ersten Tag nicht in der Schule gesehen hatte. » Manchmal ist es gar nicht schlecht, wenn man eine geheimnisvolle Aura um sich bewahrt, nicht wahr, Bruderherz? «
    Pietr lächelte zustimmend, aber das Lächeln kam nicht von Herzen. Ich fragte mich, was Pietr vor uns geheim hielt– welches Geheimnis er mir vorenthielt.
    » Also, macht es euch gemütlich! « , rief Catherine und bedeutete uns, Platz zu nehmen. » Ich mache uns einen Tee. « Sie lächelte freundlich, erhob sich und schwebte mit einer Anmut durch den Raum, die mich an eine Ballerina erinnerte. Vielleicht hatte ich sie deshalb in der Schule nie bemerkt. War Pietr die Sonne, die einen Strom lärmender Anbeterinnen um sich scharte, war Catherine still und leichtfüßig wie der Mond, der über den Nachthimmel gleitet.
    Pietr ließ sich auf die Aufforderung seiner Zwillingsschwester hin sofort auf ein kleines Sofa plumpsen.
    » Was für ein süßes kleines Sofa « , sagte Sarah und kuschelte sich neben ihn, den Schulrucksack auf den Knien. Amy ließ sich auf seiner anderen Seite niederplumpsen. Nur ich hatte

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