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Zwischen Mond und Versprechen

Zwischen Mond und Versprechen

Titel: Zwischen Mond und Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Delany
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« , sagte sie. Es klang weder besonders freundlich noch glücklich– ich reichte ihr die Puppe, als hätte sie sich plötzlich in eine Schlange verwandelt.
    » Dann müsste als Nächstes Pietr kommen, oder? « , fragte Sarah.
    Alle nickten mit steifen Gesichtern, deren Ausdruck zwischen Neugier und Verbissenheit schwankte. Pietr war wie versteinert– kühl und distanziert.
    Sarah drehte an der Puppe. Nichts. Sie versuchte es noch einmal. Sie packte sie von der anderen Seite. Die Puppe gab weder ihrem Willen noch dem Druck ihrer schmalen Hände nach. Sie ächzte, versuchte es ein letztes Mal und sah mich völlig erschöpft an. Geschlagen gab sie mir die Puppe zurück. » Wahrscheinlich ist das die Letzte « , sagte sie, » wahrscheinlich haben sie keine Zwillinge erwartet. «
    Ich drehte an der Puppe, die beiden Hälften gingen mit einem leisen Quietschen auseinander. » Ausnahmsweise hast du einmal nicht recht « , sagte ich mit einem Zwinkern. » Prinzip Erdnussbutter. « Ich sah Amy und Pietr an.
    Die Rusakovas starrten schwer atmend auf meine Hände. Erst dann guckte ich selbst hin.
    » Was ist denn das? « , fragte ich, während Alexi die Catherine-Puppe neben die anderen stellte. » Huch. Na das nenne ich eine Überraschung « , sagte ich und hielt die winzige Holzpuppe ans Licht. » Sieht wie ein Wolf aus « , meinte ich. » Also, die Haarfarbe und die Augenfarbe passen, Pietr, aber sonst sehe ich keine Ähnlichkeit « , stichelte ich mit einem Lächeln.
    Keiner im Zimmer erwiderte das Lächeln.
    » Na ja « , sagte ich und hielt immer noch den kleinen Wolf in der Hand, » ihr solltest erst mal sehen, wie schnell ich mit dem alten Zauberwürfel von Dad umgehen kann. «
    Immer noch machte niemand Anstalten zu lachen. Eine unangenehme Stille.
    Die Rusakovas starrten mich an, als wäre ich eine Art Wunder. Ich sah mir den Wolf genauer an, um ihnen Zeit zu geben, sich wieder zu fangen. Ich war auch ziemlich aufgewühlt, sie so fassungslos zu erleben. » Hey, cool « , rief ich, » der Wolf lässt sich auch öffnen… «

16
    W as? «
    Die Rusakovas behielten mich die ganze Zeit im Auge, die Intensität ihrer Blicke schien sich noch zu verdoppeln– wenn das überhaupt möglich war.
    » Den Wolf kann man auch öffnen « , wiederholte ich. Doch angesichts ihrer Blicke zögerte ich. Es war, als hielte ich einen Zauber in der Hand. Als würde sich ihre Welt für immer verändern, je nachdem, was ich darin fand.
    » Vielleicht lasse ich es lieber « , flüsterte ich, aber Pietr sprang von dem kleinen Sofa auf, stellte sich vor mich hin, schirmte mich ab, sein Gesicht so nah an meinem Kopf, dass sein warmer Atem meine Wangen bis zum Erröten streichelte.
    » Mach auf. « Es war kein Befehl, auch keine Bitte– aber etwas, was uns beide berührte. Sein Ton presste mir das Herz zusammen.
    Ich begegnete seinem Blick. Seine Augen schimmerten, der ungewöhnliche goldene Ring, der seine Pupillen umgab, sah aus wie die Sonne, die bei der Sonnenfinsternis hinter dem Mond hervorbricht. Das ozeantiefe Blau seiner Augen flackerte. Ich sah ihn atemlos an. » Wirklich? « , fragte ich. Ich wollte den Wolf nicht öffnen, wenn er sich nicht sicher war. Es war merkwürdig, aber es war, als seien sie eng miteinander verbunden.
    Er bejahte mit einem kurzen Nicken.
    » Okay « , hauchte ich und hoffte, mit diesem Wort die Wildheit in seinen funkelnden Augen zu zähmen. Mit einem kurzen Dreh war es vollbracht, der Wolf war geöffnet, sein Inhalt fiel in meine Hand.
    Pietr sah Alexi an.
    Alexi und die anderen Rusakovas bildeten einen Kreis um mich.
    » Was? Was ist es denn? « , fragte Sarah hinter der Wand aus Körpern.
    Sacht drehte Alexi mit seinem Zeigefinger das cremefarbene Herz auf meiner Handfläche um.
    » Ein Amulett in Herzform. « Er blinzelte und beugte sich herab, um den Anhänger genau anzusehen. » Sieht wie weißer Bernstein aus. «
    » Königsbernstein? « , flüsterte Catherine. Mir war klar, dass mir etwas entging. Etwas Bedeutendes.
    Pietr nahm rasch das Herz aus meiner geöffneten Hand. Der Blick, mit dem er mich ansah– uns alle ansah– war voller Bangigkeit. Einen Augenblick lang musterte er das Herz genau. Dann hielt er es mir direkt vor die Augen, sodass ich die cremeweißen Schlieren darin sehen konnte.
    Über die Oberfläche des Bernsteinherzens fiel ein Schatten. Als ich genauer hinsah, gewann er Kontur. Mein Blick wanderte zwischen Pietrs Gesicht und dem Anhänger hin und her. » Oh « , sagte ich mit

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