Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
Blut sie in sich hat …«
Ich zog meinen Kopfkissenbezug ab und streifte ihn über das untere Ende des Quilts wie einen Strumpf über ein blutendes Schienbein. »Nimm ihre Füße«, sagte ich. »Was jetzt kommt, müssen wir gleich erledigen. Und werd nicht wieder ohnmächtig, Henry, allein schaff ich’s nämlich nicht.«
»Ich wollte, das alles wäre nur ein Traum«, sagte er, aber er bückte sich und umschlang das Ende des Quilts mit den Armen. »Glaubst du, es könnte ein Traum sein, Papa?«
»Heute in einem Jahr, wenn alles hinter uns liegt, werden wir’s für einen halten.« Irgendwie glaubte ich das sogar. »Schnell jetzt. Bevor der Kissenbezug zu tropfen anfängt. Oder der restliche Quilt.«
Wie Möbelpacker, die ein in einen Teppich gewickeltes Möbelstück schleppten, trugen wir sie den Flur entlang, durchs Wohnzimmer und dann zur Haustür hinaus. Ich atmete auf, sobald wir die Verandatreppe hinunter waren; Blutspuren auf dem Hof ließen sich leichter beseitigen.
Henry hielt sich gut, bis wir um die Ecke des Kuhstalls bogen und der alte Brunnen in Sicht kam. Er war von eingerammten Zaunlatten umgeben, damit niemand versehentlich auf den Holzdeckel trat, mit dem er verschlossen war. Im Sternenschein wirkten diese Stecken trostlos grausig,
und Henry ließ bei ihrem Anblick einen erstickten kleinen Schrei hören.
»Das ist kein Grab für eine Mam… ma…« Mehr brachte er nicht heraus, bevor er ohnmächtig in das hinter dem Stall wuchernde Gestrüpp sank. Plötzlich musste ich das ganze Gewicht meiner ermordeten Frau allein tragen. Ich überlegte kurz, ob ich das groteske Bündel so lange ablegen sollte - die Stofflagen waren verrutscht, und die zerschnittene Hand schaute heraus -, bis ich Henry wiederbelebt hatte. Wahrscheinlich war es barmherziger, ihn liegen zu lassen. Also schleifte ich sie allein an den Brunnenrand, legte sie ab und stemmte den Holzdeckel hoch. Als ich ihn an zwei Zaunlatten lehnte, atmete der Brunnen mir ins Gesicht: ein Pesthauch aus stehendem Wasser und verfaulendem Unkraut. Ich kämpfte gegen einen Brechreiz an und verlor. An zwei weitere Latten geklammert, um das Gleichgewicht zu halten, knickte ich den Oberkörper ab und gab mein Abendessen von mir und den wenigen Wein, den ich getrunken hatte. Vom schlammigen Wasser der Brunnensohle echote ein Platschen herauf. Wie der Gedanke Ride’em, Cowboy ist dieses Platschen in den vergangenen acht Jahren stets in Reichweite meiner Erinnerung geblieben. Ich wache mitten in der Nacht mit dem Echo im Kopf auf und spüre, wie sich mir die Splitter der Holzlatten in die Handflächen bohren, während ich sie umklammere, als ginge es um mein Leben.
Ich wich vom Brunnenrand zurück, fiel über das Bündel, das Arlette enthielt, und landete neben ihr. Die zerschnittene Hand hatte ich dicht vor Augen. Ich schob sie in den Quilt zurück und tätschelte sie dann, als wollte ich Arlette trösten. Henry lag weiterhin mit dem Kopf auf einem Arm gebettet im Gestrüpp. Er sah wie ein Kind aus, das nach einem anstrengenden Erntetag schläft. Über uns glitzerten die Sterne zu Tausenden und Abertausenden. Ich konnte
die Sternbilder sehen - Orion, Kassiopeia, Großer und Kleiner Wagen -, die mein Vater mir erklärt hatte. In der Ferne ließ Rex, der Hund der Cotteries, ein kurzes Bellen hören, verstummte dann aber wieder. Ich weiß noch, wie ich dachte: Diese Nacht wird niemals enden. Und das stimmte. In gewisser Hinsicht hat sie das niemals getan.
Als ich das Bündel mit den Armen hochhob, zuckte es.
Ich erstarrte und hielt trotz meines hämmernden Herzens den Atem an. Das hast du gar nicht gespürt, dachte ich. Ich wartete, ob es sich wiederholte. Oder ob ihre Hand sich vielleicht aus dem Quilt stahl, um mit den zerschnittenen Fingern mein Handgelenk zu umklammern.
Es passierte jedoch nichts mehr. Ich hatte mir alles nur eingebildet. Bestimmt hatte ich das. Also kippte ich sie in den Brunnen. Ich sah, wie der Quilt an dem nicht vom Kissenbezug zusammengehaltenen Ende aufging, und dann kam das Platschen. Ein viel lauteres Platschen, als es mein Erbrochenes gemacht hatte, aber zugleich auch ein quatschender Aufprall. Ich hatte gewusst, dass das Wasser dort unten nicht tief war, aber gehofft, es würde tief genug sein, um sie zu bedecken. Dieser Aufprall sagte mir, dass das nicht der Fall war.
Hinter mir setzte ein hohes, sirenenartig schrilles Lachen ein: dem Wahnsinn so nahe, dass mir ein eisiger Schauder eine Gänsehaut über den Rücken laufen
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