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Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars

Titel: Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Linoleum ausgerutscht. Ich wäre unglücklich gestürzt und hätte mir das Auge an einer Schrankecke ausgeschlagen. Sie hat gesagt, der Arzt würde allein mit mir reden wollen, aber sie verlasse sich auf mich. ›Ich weiß, dass er dir was Schlimmes angetan hat‹, hat sie gesagt, »aber wenn die Leute davon erfahren, machen sie mich dafür verantwortlich. Bitte, Schatz, tu mir diesen einen Gefallen, dann sorge ich dafür, dass dir nie wieder was Schlimmes passiert.‹ Also hab ich’s getan.«
    »Und? Ist es wieder passiert?«
    »Klar. Drei- oder viermal, das weiß ich nicht mehr genau. Und ich habe immer stillgehalten, weil ich nur noch ein Auge hatte, das ich für die gute Sache hätte opfern können. Hören Sie, sind wir hier fertig oder nicht?«
    Tess wollte sie umarmen, aber Betsy wich zurück - wie ein Vampir, der ein Kruzifix sieht, dachte Tess.
    »Tun Sie das nicht«, sagte Betsy.
    »Aber …«
    »Ich weiß, ich weiß, mucho Dank, Solidarität, auf ewig Schwestern, bla-bla-bla. Ich mag nur nicht umarmt werden. Sind wir hier fertig oder nicht?«
    »Wir sind fertig.«

    »Und an Ihrer Stelle würde ich den Revolver auf der Heimfahrt in den Fluss werfen. Haben Sie das Geständnis verbrannt?«
    »Ja. Klar doch.«
    Betsy nickte. »Und ich lösche die Nachricht, die Sie auf meinen Anrufbeantworter gesprochen haben.«
    Tess ging davon. Sie sah sich dabei einmal um. Betsy Neal saß noch auf der Bank. Sie hatte ihr Auge wieder eingesetzt.

48
    Als sie in ihrem Expedition saß, erkannte Tess, dass es eine extrem gute Idee sein könnte, die letzten Fahrten aus ihrem Navi zu löschen. Sie drückte den Einschaltknopf, und der Bildschirm leuchtete auf. Tom sagte: »Hallo, Tess. Wie ich sehe, machen wir einen Trip.«
    Tess löschte die gespeicherten Routen, dann schaltete sie das Navi wieder aus. Sie machte eigentlich keinen Trip, sondern wollte nur nach Hause. Und sie traute sich zu, den Weg zurück selbst zu finden.

FAIRE VERLÄNGERUNG

    S treeter sah das Schild nur, weil er am Straßenrand halten und spucken musste. Er spuckte jetzt oft und meistens ohne lange Vorwarnung - manchmal ein Anflug von Übelkeit, manchmal ein kupfriger Geschmack hinten im Mund und manchmal gar nichts; nur würg , und schon kam alles heraus, eine schöne Bescherung. Das machte das Autofahren zu einem riskanten Vorhaben, aber trotzdem fuhr er jetzt viel, teils weil er im Spätherbst nicht mehr würde fahren können und teils weil er über vieles nachdenken musste. Nachdenken hatte er immer am besten am Steuer können.
    Er war auf der Harris Avenue Extension unterwegs: einer breiten Durchfahrtsstraße, die zwei Meilen weit den Derry County Airport entlang und zwischen den dort angesiedelten Firmen - hauptsächlich Motels und Lagerhäuser - hindurchführte. Auf dieser Verlängerung herrschte tagsüber lebhafter Verkehr, weil sie den Westen Derrys mit dem Osten verband und eine Flughafenzufahrt war, aber an diesem Abend war sie fast menschenleer. Streeter parkte auf dem Radweg, riss eine der durchsichtigen Plastikspucktüten von dem Stapel auf dem Beifahrersitz, hielt das Gesicht darüber und legte los. Sein Abendessen erschien nochmals. Allerdings nicht vor seinen Augen. Die hatte er nämlich geschlossen. Wenn man einmal eine volle Spucktüte gesehen hatte, kannte man sie alle.
    Zu Beginn der Kotzphase hatte es noch keine Schmerzen gegeben. Dr. Henderson hatte ihn vorgewarnt, dass sich
das ändern würde, und seit letzter Woche war eine Veränderung eingetreten. Bisher noch keine unerträglichen Schmerzen; nur ab und zu ein Blitzstrahl, der wie Sodbrennen vom Magen in die Kehle hochzuckte. Der Schmerz kam, dann verging er wieder. Aber er würde schlimmer werden. Auch das hatte Dr. Henderson ihm gesagt.
    Er hob den Kopf von dem Beutel, öffnete das Handschuhfach, holte ein Stück Bindedraht heraus und versiegelte sein Abendessen, bevor der ganze Wagen danach stank. Ein Blick nach rechts zeigte ihm glücklicherweise einen Abfallkorb mit einem fröhlichen schlappohrigen Köter und der Mahnung DERRY DAWG SAGT: »TUT ABFALL HIN, WO ER HINGEHÖRT!« in Schablonenschrift auf der Außenseite.
    Streeter stieg aus, ging zu dem Abfallkorb hinüber und entsorgte den letzten Auswurf seines versagenden Körpers. Die Sommersonne ging rot über dem ebenen (und gegenwärtig verlassenen) Gelände des Flughafens unter, und der an seinen Hacken klebende Schatten war lang und grotesk dünn. Als wäre er Streeters Körper vier Monate voraus, bereits voll von dem

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