Zwischen Nacht und Dunkel - King, S: Zwischen Nacht und Dunkel - Full Dark, No Stars
hatte ihren Slip eingesteckt; sie sah die Rüschen aus der Brusttasche seiner Latzhose quellen. Dabei musste sie an den Film Beim Sterben ist jeder der Erste denken, den sie einst, als sie als Kinogängerin noch abenteuerlustiger gewesen war, im Rahmen einer College-Filmretrospektive gesehen hatte. Runter mit der Unterhose, hatte einer der Hinterwäldler gesagt, bevor er sich darangemacht hatte, den dicken Städter zu vergewaltigen. Komisch, was einem durch den Kopf ging, wenn man unter hundertdreißig Kilo Bauernfleisch lag und das Glied eines Vergewaltigers
sich in einem vor und zurück bewegte wie ein ungeöltes Scharnier.
»Bitte«, sagte sie. »O bitte, nicht mehr.«
»Schlampe«, sagte er, und dann kam wieder diese Faust, die ihr Blickfeld ausfüllte. Eine Seite ihres Gesichts wurde heiß, mitten in ihrem Kopf klickte es wieder, und sie wurde abermals bewusstlos.
7
Als sie das nächste Mal wieder zu sich kam, tanzte er in seiner Latzhose um sie herum, schwenkte dabei die Arme und sang mit quiekender, atonaler Stimme »Brown Sugar«. Die Sonne ging unter, und die beiden nach Westen hinausführenden Fenster des Ladens - das Glas staubig, aber wie durch ein Wunder nicht von Vandalen eingeworfen - waren mit Feuer angefüllt. Sein Schatten tanzte hinter ihm, glitt über den Bretterfußboden und die Wand hinauf, an der hellere Rechtecke zeigten, wo einmal Reklameschilder gehangen hatten. Das Poltern seiner derben Arbeitsstiefel klang apokalyptisch.
Sie konnte ihre Gabardinehose zusammengeknüllt unter der Theke liegen sehen, auf der einst die Registrierkasse gestanden haben musste (wahrscheinlich neben einem Steinguttopf mit gekochten Eiern und einem weiteren mit eingelegten Schweinsfüßen). Sie konnte Moder riechen. Und o Gott, ihr tat alles weh. Ihr Gesicht, ihre Brust, am meisten dort unten, wo sie sich aufgerissen fühlte.
Stell dich tot. Das ist deine einzige Chance.
Sie schloss die Augen. Das Singen hörte auf, und sie roch näher kommenden Männerschweiß. Schärfer als zuvor.
Weil er sich Bewegung gemacht hat, dachte sie. Sie vergaß, dass sie sich tot stellen wollte, und versuchte zu schreien. Bevor sie das konnte, packte er sie mit seinen riesigen Pranken am Hals und begann sie zu würgen. Sie dachte: Jetzt ist es aus. Mit mir ist es aus . Das waren ruhige Gedanken, voller Erleichterung. Wenigstens würde sie keine Schmerzen mehr haben und nicht wieder aufwachen müssen, um den Vergewaltiger im blutroten Sonnenuntergangslicht tanzen zu sehen.
Sie wurde bewusstlos.
8
Als Tess zum dritten Mal aus einer Ohnmacht auftauchte, war die Welt schwarz und silbern geworden, und sie schwebte.
So ist das also, wenn man tot ist.
Dann spürte sie Hände unter sich - große Hände, seine Hände - und einen Stacheldrahtreif aus Schmerzen um ihren Hals. Er hatte sie nicht stark genug gewürgt, um sie umzubringen, aber sie trug die Abdrücke seiner Hände wie eine Halskette: vorn die Handflächen, seitlich und im Nacken die Finger.
Es war Nacht. Der Mond war aufgegangen. Ein Vollmond. Er trug sie quer über den Parkplatz des verlassenen Ladens. Er trug sie an seinem Pick-up vorbei. Sie konnte ihren Expedition nicht sehen. Ihr Expedition war weg.
Wo bist du, Tom?
Er blieb am Straßenrand stehen. Sie konnte seinen Schweiß riechen und das Heben und Senken seines Brustkorbs spüren. Sie konnte die Nachtluft kühl an ihren nackten Beinen
fühlen. Sie konnte das Blechschild hinter sich ticken hören. DU MAGST ES ES MAG DICH.
Hält er mich für tot? Er kann mich nicht für tot halten. Ich blute noch.
Oder vielleicht nicht? Das ließ sich nicht sicher feststellen. Sie lag schlaff in seinen Armen und kam sich vor wie ein Mädchen in einem Horrorfilm, das eine, das von Jason oder Michael oder Freddy oder wie immer er hieß, fortgeschleppt wird, nachdem er alle anderen abgeschlachtet hat. Zu seinem verwahrlosten Schlupfwinkel tief im Wald, in dem sie an einen Haken in der Decke gekettet werden würde. In diesen Filmen gab es immer Ketten und Haken in der Decke.
Er setzte sich wieder in Bewegung. Sie konnte seine Arbeitsstiefel auf dem ausgebesserten Asphalt der Stagg Road hören: stampf-polter-stampf. Auf der anderen Seite der Straße folgten dann scharrende, klappernde Geräusche. Er räumte die Holzstücke, die sie sorgfältig eingesammelt und in den Straßengraben geworfen hatte, mit Fußtritten beiseite. Das tickende Blechschild war nicht mehr zu hören, aber sie vernahm jetzt fließendes Wasser. Nicht viel,
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