Zwischen Olivenhainen (German Edition)
Grund, sich vor der schon untergegangenen Sonne schützen zu wollen. Aber vielleicht fand er das auch einfach nur ‚cool‘. Am Anfang und Ende ihres Treffens als sizilianischer Macho aufzutauchen und zu verschwinden. Die Brille stand ihm ausgezeichnet, das musste sie sich eingestehen, aber Leslie mochte es nicht, wenn sie seine Augen nicht sehen konnte, doch sie verzichtete darauf, ihn darauf anzusprechen.
„Na dann. War wirklich schön, dich kennenzulernen“, sagte Raffaello und hielt ihr seine Hand zum Abschied hin. Wie ein Erwachsener benahm er sich.
Leslie ergriff sie. „Danke für das … Glas Wasser.“
Ein Grinsen stahl sich auf sein Gesicht. Scheinbar fand er, genau wie sie, dass sich ‚ein Glas Wasser‘ ziemlich unbedeutend und mickrig anhörte.
„ Ciao , Leslie“, sagte er, ließ ihre Hand los und drehte sich um. Jetzt musste sie es fragen. Jetzt oder nie. Na auf, dachte sie mit rasendem Herzen.
„Sehen wir uns wieder mal?“, fragte sie dann, als er schon einige Meter entfernt war. Er blieb kurz stehen, bevor er sich zu ihr umdrehte.
„Bestimmt“, sagte er nur und hob die Hand. Dann war er um eine Straßenecke gebogen und verschwunden.
Leslie blieb noch eine Weile stehen, wo sie war. Es war ein seltsames Date gewesen. Wenn es das überhaupt hatte sein sollen. Aber er sollte sich bloß nicht allzu viel darauf einbilden. Außerdem hatte er nur gesagt, er wolle sich bei ihr entschuldigen, weil er so unhöflich gewesen war. Womit er nur zu sehr recht hatte. Allerdings hätte er es auch einfach dabei belassen können, und sich nicht mehr blicken lassen, jetzt, wo er seinen Koffer wieder hatte. Mysteriös. Leslie wollte nicht mehr weiter über ihn nachdenken, aber das erschien ihr ziemlich aussichtslos.
Was ist er schon? dachte sie, ein sizilianischer Macho, der die Mädchen auf der Straße anbaggert. Mehr nicht. Nichts Ernstes. Niemand, an den sie ihre Zeit verschwenden sollte.
Aber sie tat es trotzdem. Sie dachte an seinen Namen, der so fremd und irgendwie geheimnisvoll klang, an seine tiefbraunen Augen, die nervige Sonnenbrille, ja sogar peinlicherweise an sein viel zu weit aufgeknöpftes Hemd. An den ganzen, verfluchten, gutaussehenden Typen musste sie denken, während sie durch die Gänge im Hotel ging.
Shit , dachte sie. Und dann redete sie sich ein, dass er gar nicht so toll war, wie er gewirkt hatte, dass er nur einer von vielen dämlichen ‚ Papagalli ‘ war, wie es sie bestimmt zu Tausenden in dieser Stadt gab. Aber das half nichts.
„Wo zur Hölle bist du gewesen?!“, entfuhr es Anne und Melissa gleichzeitig, als Leslie die Tür zu ihrem Zimmer aufstieß. Die beiden saßen auf dem Bett, das sich Anne und Leslie teilten, und waren scheinbar gerade dabei gewesen, durch die Fernsehsender zu zappen. Leslie ließ ihre hellblaue Jeanstasche auf den Stuhl vor dem Schreibtisch neben Annes Kleiderschrank fallen, band sich ihr langes, schokoladenbraunes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen und setzte sich zu ihren Freundinnen, die sie aufgeregt musterten.
„Du siehst so … seltsam aus“, bemerkte Anne.
„Was heißt seltsam?“, entgegnete Leslie fast ein wenig erschrocken. Sah man ihr ihre Begegnung mit Raffaello etwa an? Verflucht!
Anne zuckte die Schultern. „Irgendwie durcheinander …“, sagte sie.
„Und irgendwie fröhlich“, warf Melissa ein. „Warst du bei diesem Eisverkäufer?“
Aber Leslie schüttelte den Kopf. „Nein“, sagte sie. Jedenfalls nicht direkt. „Meine Güte, ich war am Hafen! Hast du meinen Zettel nicht gelesen, Anne?“
„Doch, doch“, murmelte diese abwesend.
„Hast du jemanden getroffen?“, hakte Melissa aufgeregt nach. Herrgott, sie roch aber auch hinter allem irgendeine Romeo und Julia Geschichte.
Leslie hatte genug von dem Thema. Sollten die beiden doch denken, was sie wollten. Sie würde ihnen nichts von Raffaello erzählen. Kein Sterbenswörtchen. Nicht einmal Anne. Ohne Melissas Frage zu beantworten, verschwand Leslie grummelnd im Bad, um zu duschen. Vielleicht konnte sie sich einschließen und erst wieder herauskommen, wenn Anne und Melissa schon längst schliefen? Erst dann, wenn er an die Tür klopfen würde, erneut? Wütend verwarf sie diesen absurden Gedanken und stellte die Wassertemperatur so kalt wie möglich.
8
Der nächste Morgen kam viel zu schnell. Leslie konnte nicht schlafen, so sehr sie sich auch anstrengte, und irgendwann schob sie sich die Ohrstöpsel ihres iPods in die Ohren und hörte Musik. Bei ‚ Beyond
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