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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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schlaksig.
    „Möchtest du den Sonnenuntergang ansehen?“, fragte Raffaello irgendwann. „Wir könnten ans Meer runter gehen?“
    Aber Leslie wollte nicht. Das war zu viel des Guten. Er hatte sie auf ein Eis eingeladen – das war in Ordnung. Aber gleich darauf mit ihm die Sonne anzuschmachten, behagte ihr nicht ganz. Sie kannte ihn ja gar nicht. Und er sie auch nicht. Das wäre zumindest wünschenswert, dachte Leslie und schauderte, als sie daran dachte, dass er ja auch irgendwie herausgefunden hatte, in welchem Hotel sie abgestiegen war.
    „Wie hast du eigentlich rausgefunden, in welchem Hotel ich wohne?“, fragte sie, ohne seine Frage nach dem Sonnenuntergang zu beantworten.
    Seine Brauen schoben sich zusammen, eine Falte bildete sich zwischen ihnen.
    „Du willst mich wohl unbedingt vergraulen, was?“, sagte er sarkastisch.
    Aber Leslie schüttelte den Kopf. „Was ist weiter schlimm daran, wenn ich neugierig bin?“
    Er wich ihrem Blick aus und starrte an den Nachbartisch, an dem die drei alten Damen saßen, sich ihres Kirscheises erfreuten und unruhig auf ihren Stühlen herumzurutschen begannen, als sie bemerkten, wie dieser gutaussehende Typ mit dem furchteinflößenden Blick zu ihnen herübersah, als wolle er sie hypnotisieren. Fast musste Leslie lachen.
    „Neugierig zu sein, ist gut“, sagte Raffaello leise und die alten Damen schienen sich zu fragen, ob er mit ihnen sprach, „aber manchmal sollte man die Sache einfach auf sich beruhen lassen, glaub mir, Leslie.“ Jetzt sah er sie wieder an. Die drei Frauen entspannten sich, blickten aber immer wieder auffällig beunruhigt zu Leslie und Raffaello hinüber.
    „Touristen“, raunte er ihr zu und deutete grinsend mit dem Kopf in Richtung ihres Nachbartisches, „man kann sie ja so leicht verunsichern.“
    „Pffft“, machte Leslie eingeschnappt. Sie zählte auch zu den Touristen, wenn sie sich nicht irrte. Wollte er sie womöglich auch verunsichern? Na, das konnte er vergessen. Aber gründlich.
    „Was ist jetzt?“, fragte sie. „Antwortest du mir heute noch auf meine Frage, oder gibst du nur solche philosophischen Weisheiten von dir?“
    Ein spöttisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel und seine Augen blitzten amüsiert auf.
    „Ich werde dir auf jede Frage antworten, meine Teuerste“, entgegnete er. „Aber die werde ich mir genau aussuchen.“ Es klang, als mache er einen Spaß, aber Leslie bemerkte die Ernsthaftigkeit in seiner rauen Stimme. Jetzt war es doch an ihr, verunsichert auf ihrem Stuhl herumzurutschen.
    Na toll, dachte sie, während sie ihr Wasserglas mit großen Schlucken leerte. Er tat es ihr gleich. Dann stand er auf, nachdem er einen Blick auf seine protzige, goldene Armbanduhr geworfen hatte, um zu zahlen.
    „Ich sollte dich zurück zum Hotel bringen“, sagte er und lächelte entschuldigend, „sonst machen sich deine beiden Freundinnen noch Sorgen.“
    Leslie schaute auf ihre Uhr. Viertel nach acht. Richtig dunkel war es noch nicht geworden, aber der Abendstern leuchtete schon hell am violettblauen Himmel und auch die Laternen draußen am Straßenrand flackerten eine nach der anderen auf, ausgenommen die, die kaputt waren.
    „Jeder Abend ist hier so … anders“, sagte Leslie plötzlich, als sie wenig später neben Raffaello auf dem Bürgersteig an der noch immer dicht befahrenen Hauptstraße entlang schlenderte, verzaubert vom Dunkel der herannahenden Nacht. Sie hörte ihn leise lachen.
    „Sizilien gefällt dir, hm?“, fragte er.
    „Ja, irgendwie schon. Und dir?“
    „Mal mehr und mal weniger.“
    „Was soll das heißen?“
    „Genau das“, sagte er.
    Aha. Scheinbar war das so seine Angewohnheit, unverständliches Zeug von sich zu geben. Aber vielleicht gehörte das auch nur zu seinem Machodasein und Leslie dachte darüber nach, dass er ihr irgendwie gefiel. Mehr oder weniger. Auf die ein oder andere Weise.
    Einige wenige Möwen zogen noch immer kreischend ihre Kreise am Himmel, Vespas drängten sich laut knatternd durch den dichten Verkehr, und auch die Menschenmengen auf den Straßen und in den Seitengassen war nicht weniger geworden. Raffaello schwieg den ganzen kurzen Weg bis zum Grand Hotel und Leslie genoss die Redepause zwischen ihnen ein wenig.
    Vor dem Eingang des Hotels blieben sie stehen. Raffaello nahm seine Sonnenbrille aus dem wirren Haar und setzte sie sich auf die schmale, gerade Nase. Leslie wunderte sich, warum er das tat. Es war schon recht dunkel geworden, es bestand also absolut kein

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