Zwischen Olivenhainen (German Edition)
ganz angenehm. Sie konnte ihre Hausaufgaben erledigen, wann sie wollte, was zugegebenermaßen auch oft dazu führte, dass sie sie vergaß. So hatte sich Leslie schon des Öfteren eine Stunde Nachsitzen eingehandelt – wobei Anne ihr Gesellschaft leistete, auch wenn sie ihre Aufgaben immer vorbildlich erledigte, was eher an ihrer allzu fürsorglichen Mutter lag, als an Anne selbst. Aber Anne war eigentlich gut in allen Fächern. Leslie nicht. Leslie hasste Mathe. Abgrundtief.
Als sie endlich fertig war, nahm sie sich noch kurz die Freiheit, die SMS zu lesen, die sie bekommen hatte:
„Hast du verschlafen?! Egal, GUTE Neuigkeiten!!! Beeil dich!! Anne“.
Panisch blickte Leslie auf die Uhr. Viertel nach elf! Verdammt. So schnell sie konnte, stürmte sie aus ihrem Zimmer, die enge Treppe hinunter, dann nach draußen und schnappte sich ihr Fahrrad, das gleich neben der Eingangstür lehnte und trat in die Pedale, als sei der Teufel hinter ihr her. Der Fahrtwind peitschte ihr das lange, dummerweise noch nasse Haar ins Gesicht, denn in der Eile hatte sie vergessen, es zu föhnen.
Anne erwartete sie schon an der weit geöffneten Haustür und trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Aufgeregt winkte sie Leslie zu und schloss sie kurz in die Arme, bevor sie sie ungeduldig und von einem Ohr zum anderen breit grinsend durch die große, helle Wohnung schob, die gewundene, hölzerne Treppe hinauf in ihr Zimmer. Annes Zimmer war recht groß, Leslies jedenfalls hätte zweimal hineingepasst. Sorgfältig schloss Anne die Tür hinter sich und ließ sich im Schneidersitz auf ihrem Bett nieder, und blickte Leslie, die immer noch etwas unschlüssig auf dem großen, bunt gestreiften Teppich vor Annes Bett stand und ihre nassen Haare ordnete, erwartungsvoll an.
„ Sorry , ich hab’ verschlafen“, brachte Leslie hervor, um überhaupt etwas zu sagen. „Du weißt doch, sonst weckt mich Benny immer, aber es ist Samstag …“ Weiter sprach sie nicht. Ihren Vater wollte sie, so gut es eben ging, nicht erwähnen. Anne nickte. Sie verstand das, obwohl ihre Eltern nicht geschieden waren.
„Setz dich erst mal hin“, sagte sie, dann stand sie auf und fing an, in einem ihrer vielen Schränke herumzukramen, bis sie einen Föhn zu Tage beförderte und ihn Leslie zuwarf, ihn ihr aber gleich wieder aus der Hand nahm mit der Begründung: „Lass mal, das mach ich.“ Und fing an, Leslies Haare zu trocknen.
Sie wusste genau, dass Leslie eine Frage auf der Zunge lag – und, dass sie sie gleich stellen würde – deswegen hielt Anne die Spannung so lange es ging aufrecht, was sie immer dann tat, wenn es wirklich besonders wichtige oder absolut gute Nachrichten gab.
Seelenruhig föhnte Anne Leslies lange Mähne und Leslie konnte sich gut vorstellen, wie sie breit grinste und auf ihre Frage wartete.
„Was gibt es für gute Neuigkeiten?“, schrie Leslie gegen das laute Surren des Föhns an.
„Ich sag’s dir, wenn ich hier fertig bin!“, brüllte Anne ihr ins Ohr.
Leslie zuckte zusammen. Anne föhnte weiter. Und weiter. Und weiter, bis Leslie befürchtete, ihre Haare würden schon anfangen zu schmelzen. Aber das taten sie nicht und gerade, als sie Anne den Föhn aus der Hand reißen wollte, schaltete diese ihn aus und schmiss ihn zurück in die Schublade, aus der sie ihn genommen hatte. Leslie drehte sich zu ihrer Freundin um und musterte sie erwartungsvoll.
„Also, was ist nun? Hat dich Mike zu einem Date eingeladen oder so?“, fragte sie.
Anne zog ihr Handy aus der Tasche ihrer Jeans, tippte kurz etwas darauf herum und hielt es Leslie dann unter die Nase. Sie nahm es entgegen und las die SMS, die Anne bekommen hatte:
„Hi, Anne! Treffen wir uns in der Pause? Am Montag in der Ersten? Bring Leslie mit – ist wichtig! LG, Melissa Gosetti.“
„Melissa Gosetti?“ Leslie hob den Kopf und gab Anne ihr Handy zurück. „Ist die nicht in der 11b?“ Anne nickte.
„Das ist doch die Italienerin mit dem komischen Vater?“
Wieder nickte Anne.
„ Jep “, sagte sie, „die aus dem Tanzkurs, weißt du noch?“
Wie konnte sie nicht? Leslie hatte diesen Kurs gehasst. „Und was will sie ausgerechnet von uns?“
„Keine Ahnung.“ Anne zuckte die Schultern und fing an, auf dem Handy herumzutippen.
„Was schreibst du da?“, fragte Leslie und beugte sich nach vorne, um besser sehen zu können.
„Ich frage sie, was sie von uns will!“ Anne schickte die SMS ab.
Piiieeep.
Postwendend kam die Antwort: „Werdet ihr sehen bzw.
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