Zwischen Olivenhainen (German Edition)
hören!“
„Werden wir sehen?“, sagte Leslie. „Sehr hilfreich.“
Anne schrieb Melissa schon zurück: „Ist es was Gutes?“
Die Antwort: „ja!“
Anne: „Genauere Definition?“
Melissa G.: „Morgen!“
Anne: „Aber Leslie ist gerade da!“
Melissa G.: „Dann grüß sie von mir!“
Anne: „Bitte, spuck’s endlich aus!“
Melissa G.: „Muss zum Reiten, bis morgen hoffe ich …“
„Zum Reiten!“, spottete Anne. „Wahrscheinlich muss sie mit ihrem Vater und irgendwelchen ach so wichtigen Geschäftsleuten zu Mittag essen! Die Arme, sie kann einem leidtun.“
Leslie nickte und strich sich das Haar hinter die Ohren.
„Ich finde sie eigentlich ziemlich nett“, sagte sie dann. Melissa Gosetti war mit ihnen beiden vor drei Jahren im selben Tanzkurs gewesen und dort hatten sie sich mit ihr angefreundet, allerdings in der Schule nicht mehr oft gesehen, weil sie in verschiedene Klassen gingen und zudem alle so viel zu lernen hatten, dass keiner von ihnen wusste, wo ihnen der Kopf stand. Dass Melissa da noch Zeit zum Reiten fand, wunderte Leslie.
„Und das war jetzt die gute Nachricht?“, fragte sie skeptisch. Anne schaute sie verständnislos an.
„Ja …“, sagte sie. „Na hör mal! Melissa Gosetti schickt uns eine SMS!“
„Dir!“
„Ist doch egal.“ Dann schwiegen sie eine Weile. Annes Mutter brachte ihnen eine halbe Stunde später etwas zu essen hoch, was Leslie super fand, denn sie selbst durfte nie in ihrem Zimmer essen und außerdem bestand die Gefahr, dass ihr kleiner Bruder mit seinen Spielzeugautos und der dämlichen Spidermanfigur auftauchen könnte. Anne und Leslie saßen auf der langen, aus weißem Marmor gehauenen Fensterbank, und kauten auf ihren Pommes herum und blickten aus dem großen Fenster, um das Leslie ihre Freundin schon oft beneidet hatte.
Der Himmel draußen war tiefgrau, fast schon schwarz. Wahrscheinlich würde es in den nächsten Minuten wieder anfangen, wie aus Eimern zu schütten. Seit einer ganzen Woche ging das nun schon so, obwohl es Anfang Juni war und sie in drei Wochen Sommerferien bekamen. Drei Wochen konnten wirklich abscheulich lange sein, fand Leslie.
„Fährst du weg in den Ferien?“, fragte Anne sie plötzlich.
Leslie schüttelte den Kopf und bemühte sich, nicht zu traurig auszusehen. Sie hatte so gut wie nie die Gelegenheit, aus Oban raus zu kommen, weil ihre Mutter trotz der vielen Überstunden einfach nicht genug Geld verdiente.
„Arme Leslie“, murmelte Anne und griff nach ihrer Hand, „aber ich dieses Mal auch nicht.“ Leslie lächelte schwach. Anne fuhr meistens mit ihren Eltern in der ganzen Welt herum. Nach Florida, an die langen, weißen Strände, nach denen sich Anne immer sehnte. Zudem hatte sie den Vorteil, dass sie keine Geschwister hatte, worum Leslie sie beneidete, obwohl Anne sich immer einen kleinen Bruder wünschte. „Du bist ja so was wie meine Schwester“, sagte Anne immer, wenn sie auf das Thema zu sprechen kamen.
„Du könntest bei mir übernachten“, schlug Anne vor, „oder soll ich zu dir?“ Leslie schüttelte den Kopf.
„Ich komme zu dir, wenn es deinen Eltern recht ist.“
Sie fühlte sich nicht besonders wohl in ihrer kleinen Wohnung, wenn Anne zu Besuch war, fast war ihr die Unordnung, die im ganzen Haus herrschte, und besonders in der Küche, peinlich. Außerdem war da ja noch Benny, aber der würde sicher wieder mit ihrem Vater nach London zu ihrer Schwester fahren. Früher war Leslie jedes Mal in den Sommerferien mit ihrem Dad und Benny nach London gefahren, aber seit ihre Eltern geschieden waren, vermied Leslie den Kontakt zu ihm so gut es eben ging.
„Vielleicht können wir meine Eltern wenigstens zu einem Tagesausflug zu irgendeinem Castle überreden“, schlug Anne vor und Leslie nickte begeistert, nur um die Tatsache zu überspielen, dass sie eigentlich viel lieber nur mit Anne in deren Zimmer sitzen und die Atmosphäre einer perfekten Familie genießen wollte.
„Das wäre toll“, sagte sie leise und schob sich ein Stück panierten Fisch in den Mund. Fish und Chips mochte sie am liebsten, das wusste Annes Mutter genau und kochte es deswegen immer, wenn Leslie zu Besuch war. Sie mochte Mrs. Wilson. Manchmal sogar ein bisschen lieber, als ihre eigene Mom. Zu ihrem sechzehnten Geburtstag im letzten Sommer hatte sie ihr eine von den Taschen geschenkt, die alle in der Schule trugen, aber die sich Leslie nie hatte leisten können. Anne besaß zwei von der Sorte. Leslie war es damals ein
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