Zwischen Olivenhainen (German Edition)
tun. Auftrag von Signor Ruggiero“, sagte Mario ehrfürchtig.
„Aha“, machte Leslie. „Was für Geschäfte?“ Einen Moment lang sah er so aus, als hätte er nicht mit dieser Frage gerechnet, aber dann sagte er: „Naja, Politikerkram eben.“
Leslie nickte. „Bist du auch Politiker?“
„Nein“, sagte Mario nur.
„Was dann?“
„Hm … sozusagen der Berater von Signor Ruggiero.“
„Ah ja …“, machte Leslie.
„Und?“, fragte Mario dann. „Wie hat es dir auf Raffis Feier gefallen?“
Leslie hob die Augenbrauen. „Raffi?“
Mario lachte. „Raffaellos Spitzname. Er kann ihn absolut nicht ausstehen. Manchmal ziehe ich ihn damit auf.“ Leslie musste grinsen. „Raffi“ erinnerte sie sehr an den kleinen, sechsjährigen Raffaello, von dem Mario ihr erzählt hatte und sie schätzte, dass der Spitzname ungefähr zu dieser Zeit entstanden war. Irgendwie süß.
„Also, wie hat es dir gefallen?“, fragte Mario.
„Gut“, log sie. Dass sie entsetzt gewesen war über die vielen Menschen, dass Raffaello sie mit seinem ungewohnten Verhalten völlig aus der Bahn geworfen hatte, verschwieg sie ihm vorsichtshalber.
„Jaja“, murmelte Mario, „jetzt ist er achtzehn …“ Fast klang er verträumt. Dann blickte er zu Leslie herab.
„Wie alt bist du?“, fragte er sie.
„In einer Woche siebzehn“, sagte sie. Plötzlich hasste sie es, noch sechzehn zu sein. Raffaello war achtzehn – sie hatte das Gefühl, das passte nicht zusammen. „Dann können wir ja fast zusammen feiern“, hatte er gesagt, als sie sich rein zufällig in der Stadt getroffen hatten, aber er würde es nicht mitkriegen, wenn sie Geburtstag feierte. Denn das war genau einen Tag, nachdem sie zusammen mit Anne, Melissa und Mr. Gosetti wieder zu Hause sein würde.
„Er ist in Rom, wusstest du das?“, fragte Mario.
„Ja“, sagte Leslie und erst danach fiel ihr ein, dass sie sich vorgenommen hatte, mit niemandem über ihr Telefonat zu reden. Mario hob eine dichte Braue.
„So?“, fragte er. „Woher das denn?“
„Wir haben telefoniert“, sagte sie ausweichend.
„Er hat dir seine Nummer gegeben?“, entfuhr es Mario beinahe schon entsetzt. „Die seiner Familie oder seine private?“
„Seine Handynummer“, erklärte Leslie, nicht begreifend, was ihn auf einmal so aus der Fassung brachte.
„Ah, gut“, sagte Mario und grinste fröhlich. „Dann hat er dich wirklich gerne.“ Darauf antwortete Leslie nichts. Sie versuchte nur, ihren Herzschlag wieder unter Kontrolle zu bekommen, bevor Mario ihr anmerken konnte, wie sehr sie das, was er eben gesagt hatte, freute.
„Wann kommt er wieder?“, fragte sie beiläufig, obwohl sie das genau wusste.
„Er bleibt soweit ich weiß drei Tage mit seinem Vater in Rom. Vielleicht hängen sie noch zwei Tage Urlaub dran, so genau wusste Signor Ruggiero nicht, was sein Sohnemann vorhat. Du hast ja seine Nummer“, fügte er seltsam lächelnd hinzu. „Du kannst ihn also jederzeit anrufen, wenn du ihn vermisst. Hat er deine?“
Leslie schüttelte den Kopf. „Ich werde ihn schon nicht vermissen“, knurrte sie und versuchte sich einzureden, dass Raffaello bloß ein verwöhnter Macho war, der von seinem Vater alles bekam, was er wollte, damit sie sich nicht selbst eingestehen musste, dass sie ihn wahrscheinlich tatsächlich vermissen würde.
„Hm“, machte Mario und murmelte irgendetwas auf Italienisch, bevor er sich ihr erneut zuwandte. „Das Mädchen, das dir da hinten zu winkt“, sagte er und Leslie drehte sich um, „ist das die Tochter von diesem Gosetti?“ Fast klang er lauernd, das fröhliche Grinsen auf seinem Gesicht war verschwunden, nur in seinen Augen saß es noch und schien dort zu glimmen, bis es wieder gebraucht werden würde.
„Woher kennst du Mr. Gosetti?“, entfuhr es Leslie überrascht. Ob Raffaello wohl mit Mario darüber gesprochen hatte? Aber über was eigentlich? Was hatten Raffaello und Mario mit Gosetti zu schaffen? Die Welt konnte doch nicht so klein sein, dass irgendeiner von ihnen mit Mr. Gosettis Versicherungen in Kontakt kommen konnte – oder doch?
„Ist das seine Tochter oder nicht?“, wiederholte Mario, obwohl Leslie das Gefühl hatte, dass er das längst wusste.
Sie nickte. „Ja, Melissa Gosetti.“
„Hm …“, grummelte Mario und rieb sich die lange Hakennase.
„Woher kennst du ihn?“, versuchte Leslie es erneut. Mario blickte zu ihr herüber, als habe sie ihn aus tiefsten Gedanken zurück auf den Boden der Tatsachen
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