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Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Zwischen Olivenhainen (German Edition)

Titel: Zwischen Olivenhainen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Wirthl
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Mit der halb vollen Schüssel machte sie sich auf den Weg zurück an ihren Tisch, den sie sich am Fenster ausgesucht hatte und das bisschen Milch, das sie über das Obst gegossen hatte, schwappte gefährlich nahe an den Rand, als sie abrupt stehen blieb, den Blick verwundert und etwas entsetzt auf ihren Tisch gerichtet. Mr. Gosetti saß dort und blickte ihr freundlich entgegen.
    Shit , was wollte er hier? Noch dazu so früh? Es war halb sieben. Hatte er auf sie gewartet? Einen Moment lang überlegte sie, sich einfach einen anderen Tisch zu suchen, aber dann setzte sie sich zögernd in Bewegung, ging auf Mr. Gosetti zu und setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
    „Guten Morgen, Leslie“, sagte Gosetti lächelnd. Seine braunen Augen wirkten erstaunlich wach für diese Uhrzeit.
    „Hallo“, murmelte sie und griff nach ihrem Löffel. Mr. Gosetti hob die Augenbrauen und wies mit einer knappen Kopfbewegung auf ihre halb volle Schale.
    „Auf mehr keinen Hunger?“, fragte er sie. Sie schüttelte den Kopf und schob sich eine Erdbeere in den Mund.
    „Du bist früh auf“, stellte Gosetti fest. „Hast du was Spezielles vor heute?“
    „Nein, eigentlich nicht“, entgegnete Leslie. Was zum Kuckuck wollte er hier? Nur höflich sein? Langsam kaute sie weiter, stocherte dann nur noch im Obst herum, ohne irgendetwas davon zu essen.
    „Du hast mir doch versprochen, unter vier Augen mit mir zu reden“, sagte Gosetti ruhig. Ihr schwante Schlimmes. Außerdem hatte sie gar nichts versprochen.
    „Um was geht es?“, fragte sie widerwillig. Sie wollte dieses grässliche Gespräch so schnell wie nur irgend möglich hinter sich bringen. Mr. Gosetti setzte sich auf seinem Stuhl zurecht. Er schien nicht lange überlegen zu müssen, wie er anfangen sollte.
    „Um deinen Freund. Diesen Raffaello Ruggiero.“
    „Er ist nicht mein ‚Freund‘“, entgegnete sie patzig, wobei sie ‚Freund‘ betonte, als sei es absolut abwegig, daran zu denken. Und überhaupt – was ging ihn das an?
    „Um ihn und seine … Freunde“, sagte Mr. Gosetti.
    „Ich habe nur einen Freund von ihm kennengelernt“, sagte sie.
    Gosetti rieb sich den Schnauzbart und nickte. „Mario Andolini, richtig?“
    Leslie nickte zögernd. „Woher kennen Sie ihn? Und Raffaello? Ist es wegen ihrer Versicherung? Dann fragen sie nicht mich, sondern ihn!“ Nun gut, ein bisschen zu patzig klang das schon, das war ihr klar, aber was fragte er auch sie?
    „Es betrifft meine Arbeit, ja“, sagte Mr. Gosetti und nickte ernst. „Und es betrifft seine Familie.“
    „Was ist? Hat Raffaello irgendwas verbrochen?“, fragte Leslie. Sie hatte längst aufgehört, weiter zu essen. Der Löffel ruhte lose in ihrer Hand. Von der Spitze tropfte Milch.
    „Versicherungsbetrug“, entgegnete Mr. Gosetti trocken, „unter anderem.“ Versicherungsbetrug. Natürlich. Das traute sie Raffaellos Familie, die so offensichtlich so stinkreich war und absolut keinen Grund gehabt hätte, so etwas zu tun, nun wirklich nicht zu. Aber Mr. Gosetti nickte ernst. So todernst, dass sie ihm einen absurden Moment lang tatsächlich glaubte. Aber nicht lange.
    „Glaube ich nicht“, sagte sie trocken.
    „Nun, es entspricht leider der Wahrheit, Leslie.“
    „Nehmen wir an, es stimmt“, sagte Leslie. „Meine Güte, jeder macht das irgendwann mal! Mein Vater ist vor fünf Jahren auf unsere Kochplatte in der Küche getreten, als er die Lampe darüber reparieren wollte – da hat er seine Versicherung auch angelogen und es hat funktioniert. Warum erzählen Sie also mir von den angeblichen Verbrechen, die er begangen haben soll?!“
    „Nicht er, sondern seine Familie“, unterbrach Gosetti ihren Redeschwall. „Und ich spreche auch nicht von ein paar Hundert Euro – oder Pfund – sondern von 2,3 Millionen.“ Das verschlug Leslie die Sprache. Sie machte den Mund auf – und wieder zu.
    „2,3 Mil – Millionen …?“, krächzte sie. Sie schätzte, dass sie Mr. Gosetti recht dämlich anstarrte, aber das war ihr in diesem Moment vollkommen egal. Was er da behauptete, klang absolut unglaubwürdig. Sie war sich sicher, dass die Ruggieros so etwas niemals tun würden. Das war der größte Quatsch, den sie je gehört hatte. Mr. Gosetti nickte und strich sich erneut über seinen Schnurrbart.
    „Hinzu kommt Steuerhinterziehung in Millionenhöhe und den Rest verrate ich dir besser gar nicht erst. Ich wollte dich damit nicht erschrecken, aber ich dachte mir, wenn du öfters deine Zeit mit

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