Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
Vom Netzwerk:
2005).

Multikulturelle Gesellschaft im Heiligen Land
    Der Berliner Religionshistoriker Carsten Colpe würdigt die andere Seite und entdeckt schon fast eine multikulturelle Gesellschaft im Kreuzfahrerstaat des Heiligen Landes:
    »Das Leben im Orient zur Zeit der Kreuzzüge, also von 1098 bis 1291, darf man sich nicht als einen permanenten Kriegszustand vorstellen. Die fränkischen Kolonisten schon der zweiten Generation betrachteten den Krieg meist nur als notwendiges Übel. Und die Frankenfürsten in Syrien verfolgten oft eine außerordentlich verständnisvolle und liberale Politik. Der Normalzustand bei den Kreuzzügen und Gegenkreuzzügen war der Waffenstillstand, der fast immer auf beiden Seiten durch stillschweigendes Einvernehmen verlängert wurde. Zwischen den fränkischen Baronen und den benachbarten arabischen Emiren wurden von Schloss zu Schloss Beziehungen von hoher Ritterlichkeit
unterhalten, von denen sowohl die westlichen Chronisten als auch die arabischen Annalisten manches Zeugnis hinterlassen haben« (»Problem Islam«, 1994).
    Für beide Ansichten finden sich in der Geschichte offenbar Belege. Auf jeden Fall entspricht dem heutigen weiten Spektrum der Urteile, dass man schon im Mittelalter, dass die Zeitgenossen der Kreuzfahrer höchst unterschiedliche Meinungen über die bewaffneten Wallfahrten und die Auseinandersetzungen mit den Muslimen hegten. Geschichten wurden erzählt über gute Muslime, etwa den legendären Sultan Saladin (1169 bis 1193). Konnte es auch innerhalb der Kirche einen stärkeren Kontrast geben als den zwischen Innozenz III. (1198-1216), dem Herrn über Kaiser und Könige, und dem friedfertigen Franz von Assisi (118⅛2-1226), dem beliebtesten Heiligen der Christenheit und Gründer des Bettelordens der Franziskaner? Innozenz III. wollte den Kaiser Friedrich II. in den Kreuzzug hineintreiben. Jenen Kaiser, der sich militärisch auf Sarazenen, theologisch, wie man munkelte, auch auf den Islam und politisch auf einen Waffenstillstand mit den Muslimen stützte. Franz von Assisi wollte den Sultan bekehren, durch »gute Rede und ein rechtes Denken« (Kaiser Manuel II.).
    Vielleicht waren das damals, Anfang des 13. Jahrhunderts, nur Träume. Aber sie waren so stark, dass sie in der Vorstellung der Zeitgenossen wirklich wurden. So wichtig zudem, dass sie als leibhaftig geschehen erzählt wurden und in das kulturelle Gedächtnis des Abendlands eingingen. Es war der Traum des einfachen Volkes in Europa, dass man den großen Konflikt zwischen der Christenheit und dem Islam, dem Gottessohn Jesus Christus und dem Propheten Mohammed, nicht kriegerisch, sondern friedlich lösen könne, müsse. Dieser Traum machte sich fest an der Gestalt des populärsten Frommen jener Zeit, des Francesco aus Assisi im mittelitalienischen Umbrien. Es war Anfang des 13. Jahrhunderts, als Papst Innozenz III. sich zum Herrn der Welt aufschwang, als der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und der Deutsche König, Friedrich II. von Hohenstaufen, Europa vom Norden jenseits der Alpen bis nach
Sizilien im Süden in Staunen versetzte, als in Ägypten der muslimische Sultan al-Malik al-Kamil herrschte und man in Bagdad der prachtvollen Zeiten unter den Abbasiden und Seldschuken gedachte.

Die Träume des Franz von Assisi
    Franz von Assisi, um 1181 geboren, schon zwei Jahre nach seinem Tod wegen der übergroßen Verehrung im Volk 1228 heiliggesprochen, war Wanderprediger, Ordensgründer (der bettelnden »Minderen Brüder«) und vor allem ein Freund der einfachen Leute, die vom Durcheinander der Politik, vom Streit der Mächtigen, der Päpste und des Kaisers, der Könige und Kalifen, von den privaten Katastrophen eines Kinderkreuzzugs (1212) und den Bedrängnissen durch Ritterheere genug hatten. Da träumte Francesco, er würde alles ganz friedlich regeln können mit den heiligen Stätten der Christen in Palästina, die in der Gewalt von Ungläubigen, von Heiden, von Muslimen waren, und mit den verwirrenden kriegerischen Unternehmungen im Mittelmeer. Er müsste nur zu dem maßgeblichen Sultan gehen und ihn bekehren. Ganz einfach.
    Vermutlich verstand dieser Francesco die »hohe Politik« des Krieges nicht. Warum zum Beispiel auf dem vierten Kreuzzug (1202-1204) das westliche Heer, statt direkt nach Jerusalem zu ziehen, erst einmal das reiche christliche Konstantinopel des oströmischen Kaisers und orientalischen Patriarchen eroberte und erbarmungslos plünderte. Wofür sich im Jahr 2004 aus Anlass des 800. Jahrestags

Weitere Kostenlose Bücher