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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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Kirchenhistoriker Arnold Angenendt auf etwas Erstaunliches hin: »Überraschenderweise fehlte bei den Kreuzzügen der Missionsgedanke; von den mehrfach erhaltenen Berichten über Urbans Aufruf behauptet keiner, der Papst habe zur Bekehrung der Sarazenen aufgefordert; ebenso wenig forderten spätere Aufrufe oder Verlautbarungen von Prälaten die Bekehrung der Ungläubigen.« Die Kreuzzüge sollten allein der Rückeroberung der heiligen Stätten im Orient dienen. Es gab nur das Recht des rechten Glaubens. Waren, sind Christen und Muslime gegenseitig missions- und konversionsresistent?
    Zu denen, die sich vom Papst, dem Bischof von Rom, wenig oder gar nicht beeindrucken ließen, gehörten die Römer selbst. Sie fehlten unter den Fahnen des Erlösers bei den christlichen Kreuzrittern, den bluttriefenden »Erlösern« der heiligen Stätten.
Nicht einmal Ferdinand Gregorovius, der alles über das mittelalterliche Rom weiß, kann sie entdecken und schreibt daher: »Wahrscheinlich würden Senat und Volk spöttisch gelacht haben, wenn Urban sie aufgefordert hätte, sich mit heiliger Begeisterung zu erfüllen, den Schutthaufen Rom zu verlassen und zur Befreiung der Stadt Jerusalem auszuziehen, die einst römische Kaiser zerstört hatten, an deren Fall noch der Bogen des Titus erinnerte […]. Enthusiasmus für große Ideen hat die Römer selten entflammt.« Ihre Bischöfe konnten nicht die Stadt begeistern, umso mehr den Erdkreis.
    Urban II. starb, bedrängt von politischen und kirchlichen Gegnern, am 29. Juli 1099 in Rom, zwei Wochen nach dem Fall Jerusalems und dem Gemetzel der Kreuzfahrer an Ungläubigen. Die Nachricht davon erhielt er nicht mehr. Im Jahre 1881, als der französische Katholizismus in einem liberalen, teils antiklerikalen Land an Kraft gewann, wurde, wie es im kirchlichen Sprachgebrauch heißt, seine Verehrung - »als Seliger« - offiziell bestätigt und seine Statue in den Vatikanischen Gärten errichtet.

Kapitel 34
    Friedliches zwischen den Religionen - Die Ringparabel des Boccaccio
    Es waren zuallererst die Päpste, die zum Kreuzzug aufriefen. Gregor VII. (1073-1085) erfolglos, Urban II. zum ersten (1096 bis 1099), Eugen III. zum zweiten (1147-1149), Gregor VIII. zum dritten (1189-1192), Innozenz III. zum vierten (1202-1204) und Gregor IX. zum fünften (1228-1229). Persönlich teilgenommen haben sie - seltsamerweise, glücklicherweise - nie an einem Kreuzzug. Dann nahmen ohnehin die christlichen Könige die bewaffnete Wallfahrt selbst in die Hand, zur sechsten (1248-1254) und siebten (1270), und demonstrierten damit, dass aus den Kreuzzügen ein machtpolitisches Instrument des Abendlands gegen den Islam geworden war.

Religiös-militärische Initiativen
    Für ihre religiös-militärische Initiative wurden die Päpste gelobt und verurteilt, früher meist gepriesen, heute verdammt. Das historische Standardwerk des »Ploetz«, das Generationen von deutschen Gebildeten das Gerüst ihres Geschichtswissens gab, fasst noch 1968 in der 27. Auflage zusammen: »In den Kreuzzügen kommt die Einheit des christlichen Abendlandes, das Gut und Blut für eine religiöse Idee opfert, zu ihrem großartigsten Ausdruck. Das christliche Rittertum schließt sich über alle nationalen Schranken hinweg zusammen und findet hier das höchste Ziel seines idealen Strebens. Das Ansehen des Papsttums, das die Züge ins Werk setzt, erreicht seinen Höhepunkt.«

    So positiv sieht man das alles heute kaum noch, vor allem, weil in den letzten drei Jahrzehnten die genaue historische Erforschung der Kreuzzüge geradezu explodiert ist. Interessanter als die selbstverständliche Gesamtverurteilung erscheinen dabei immer mehr Einzelaspekte. Verdammenswerte, schreckliche - das Waten im Blut und der Machtrausch der Kreuzritter etwa, die Pogrome gegen Juden, die Fanatisierung von Kindern oder die Eroberung und Plünderung des christlichen Konstantinopel (1204) - und erstaunliche wie die ersten interreligiösen Begegnungen.
    Fanatismus, wenn nicht gar organisierten Terrorismus sieht der Engländer Richard Fletcher in den Kreuzzügen, bloße Eroberungskriege, Vorübungen von Kolonialismus und antijüdischen Grausamkeiten. Doch er macht religiösen Extremismus auf beiden Seiten aus, bei »den eifernden, konvertierten Seldschuken, dem Fanatismus der marokkanischen Sektierer, der Bigotterie der Frankenkrieger und der Hetzerei christlicher Würdenträger« (»Ein Elefant für Karl den Großen. Christen und Muslime im Mittelalter«,

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