Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
Vom Netzwerk:
prächtig inmitten der kargen Dörfer. Über die flachen Häuser der neuen Hauptstadt La Valletta, deren Straßen genau rechtwinklig verlaufen, erhoben sich die Palazzi, die »Herbergen« der verschiedenen Sprachgemeinschaften (Lingua) des Ordens, von Aragon, Kastilien und Leon, Frankreich, Italien, der Provence, der angelsächsisch-deutschen (Bayern), vor allem der Palast des Großmeisters im Zentrum der Stadt. In der Sankt-Johannes-Kathedrale, von außen geduckt
und wehrhaft, ließen die Ritter Künstler aus Europa demonstrieren, welche künstlerischen Effekte man allein mit der sorgfältigen Bearbeitung des Steines erzielen konnte.
    Sankt Johannes ist eine Grabeskirche. Das Düstere des Inneren wird durch die steinernen Formen des Schmucks nicht aufgeheitert. Hier wollten die Kreuzritter ihre letzte Ruhestatt finden. Der Boden besteht nur aus Grabplatten. »Siste, memento, viator!« (»Halt inne, Wanderer, und gedenke!«) Tugenden werden da den Gestorbenen nachgerühmt, und der Wanderer verweilt bei dem Gedanken, ob diese heute noch zu preisen wären. Sie ist vergangen, die Zeit der Ritter im Zeichen des Kreuzes; ihre aristokratischen Lebensformen und Privilegien, die von den Maltesern oft nur mit Unwillen ertragen wurden, wurden von der Geschichte hinweggespült.
    Das Werk der Malteser-Ritter wurde nicht von Muslimen zerstört, es brach einfach zusammen. Ohne einen Schuss übernahm Napoleon auf dem Weg nach Ägypten die Macht über Malta. Kein Papst (damals Pius VI.) konnte ihn daran hindern. Denn das Papsttum war selbst schwach. Der damalige Großmeister, der Deutsche Ferdinand von Hompesch, an der Spitze von etwa 600 Rittern und 8000 Mann Hilfstruppen, hielt Blutvergießen für nicht gerechtfertigt und überließ dem französischen Kriegsherrn eine stattliche Beute. Den Schutz Europas gegen den Islam hatten die kolonialen Großmächte übernommen.

Hilfsdienst, nicht mehr Kriegsorden
    Innerhalb von drei Tagen mussten die Ritter nach 268 Jahren »ihr« Malta verlassen. Sie irrten in Italien umher; erst seit 1834 bot ihnen der Papst Sitz und Souveränität in Rom, aber keine neuen militärischen Aufgaben. Kreuzzüge und Kreuzritter bestehen nur noch in der Erinnerung fort, obwohl der »Souveräne Ritterorden vom Hospital des heiligen Johannes von Jerusalem, von Rhodos und Malta« mit seinen vielen Hilfsdiensten in aller Welt, im sozialen Bereich und im Gesundheitswesen, sogar noch souveränes, nichtstaatliches Völkerrechtssubjekt ist.
    Um die Jahrtausendwende, als die Innenpolitik von Malta
in ruhigerem Gewässer verlief, ist der Orden auf seine Insel zurückgekehrt. Still, ohne Aufhebens, von der Weltöffentlichkeit kaum bemerkt, von den Insulanern wenig gewürdigt. »Malteser« stehen nun für Dienst am Menschen, nicht mehr für Kriegerisches. Im Forte Sant’ Angelo haben sie einen winzigen Teil ihrer einstigen Festungsanlagen bezogen. Eine symbolische Präsenz. Von dort bietet sich ein atemberaubender Anblick auf die von Menschen aus Angst vor fremder Religion, vor feindlichen Religiösen errichteten künstlichen Steilküsten. Aus der Zwergenperspektive erscheinen die zyklopischen Mauern, die gigantischen Anlagen einschüchternd, doch anachronistisch. Die Zeit der religiösen Kriege ist vorbei.

Kapitel 36
    Spinoza - Der unerbittliche Aufklärer des Christentums und jeglicher Offenbarungsreligion
    An Spinoza kommt kein Religiöser vorbei. Kein Christ, kein Muslim. Kein Papst, kein Ayatollah oder Imam. Nicht gestern, nicht heute.
    Baruch oder Bento de Spinoza, 1632 in Amsterdam geboren, am 21. Februar 1677 im Haag in den Niederlanden gestorben, auch Benedictus De Spinoza, nach dem Lateinischen, oder Baruch d’ Espinosa oder Despinosa, nach der portugiesisch-jüdischen Herkunft, ist die Prüfscheide einer jeden Religion, wenn sie es mit der Vernunft aufnehmen will. Er hat als einer der Ersten gedacht, ausgesprochen und für die ganze abendländische Öffentlichkeit niedergeschrieben, welches intellektuelle Drama zwischen Glaube und Vernunft durchgestanden werden muss, wenn beide zu ihrem Recht kommen wollen. Im 17. Jahrhundert wie heute, zwischen geglaubter Religion und beweisfähiger Wissenschaft, vor allem in jenen Religionen aus dem Anspruch einer Offenbarung, im Juden- und Christentum, heute besonders im Islam.
    Allein dadurch, dass Spinoza im Jahr 1670 den »Tractatus theologico-politicus« veröffentlicht, den »Theologisch-Politischen Traktat«, beginnt für das christliche Abendland ein Beben, das es

Weitere Kostenlose Bücher