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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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falschen Glauben den Kampf an: »Wenn die Menschen alle ihre Angelegenheiten nach bestimmtem Plan zu führen imstande wären oder wenn das Glück sich ihnen jederzeit günstig erwiese, so stünden sie nicht im Banne eines Aberglaubens. Weil sie aber oft in solche Verlegenheiten geraten, dass sie sich gar keinen Rat wissen, und weil sie meistens bei ihrem maßlosen Streben nach ungewissen Glücksgütern kläglich zwischen Furcht und Hoffnung schwanken, ist ihr Sinn in der Regel sehr dazu geneigt, alles Beliebige zu glauben.« Gegen diesen falschen, unvernünftigen Glauben, der aus dem menschlichen Wunsch nach Glück die Religion schafft, richtet sich Spinozas Denkwerk.
    Die Furcht tue ein Übriges, tadelt Spinoza. Vor allem diejenigen seien dem Aberglauben zugetan, heißt es, »welche das Ungewisse unmäßig begehren, wenn sie in Gefahr sind und sich nicht zu helfen wissen […] und die Vernunft ihnen den Weg zur Erfüllung ihrer eitlen Wünsche nicht zeigen kann. Dagegen halten sie die Tollheiten, Träume und kindischen Einfälle ihrer Phantasie für göttliche Offenbarungen. Zu solchem Wahnsinn treibt die Furcht den Menschen; die Ursache also, aus der der Aberglaube entspringt, durch die er erhalten und genährt wird, ist die Furcht.«
    Spinoza will die wahre von der falschen Religion trennen, wenn er feststellt: »Aus dieser Ursache des Aberglaubens folgt offenbar, dass die Menschen von Natur für Aberglauben empfänglich sind, wenn auch andere meinen, es komme davon, dass die Menschen nur verworrene Vorstellungen von Gott haben. Solcher Aberglaube muss natürlich sehr wechseln und schwanken,
wie alles Spielwerk des Geistes und wie die Anfälle der Wut. Er kann sich nur durch Hoffnungen, Hass, Zorn oder List schützen, weil er nicht aus der Vernunft, sondern nur aus einem bloßen Affekt, und zwar einem sehr kräftigen entspringt.«

»Am besten den Türken gelungen«
    So habe man, richtet Spinoza sein Augenmerk von den Juden über die Christen auf die Muslime, »mit unendlicher Sorgfalt die wahre oder falsche Religion im äußern Gottesdienst und den Gebräuchen so ausgeschmückt, dass sie allen Verleitungen überlegen blieb und im höchsten Gehorsam von Allen gepflegt wurde. Am besten ist dies den Türken gelungen, die sogar alles Streiten darüber für Unrecht halten und den Verstand des Einzelnen mit so viel Vorurteilen beladen, dass in der Seele für die gesunde Vernunft kein Platz, nicht einmal für den Zweifel, übrig bleibt.« So Spinoza, der es mit seinem Wohn- und Denkort besser hat, weil er, wie er schreibt, »das seltene Glück genießt, in einem Freistaate zu leben, wo jeder die volle Freiheit des Urteils hat, wo er Gott nach seiner Überzeugung verehren darf und wo die Freiheit als das teuerste und liebste Besitztum gilt«.
    Schon in diesem Überblick über die Religionen ist Spinoza beispielhaft. Denn im 17. Jahrhundert war der Zusammenprall der Religionen nicht minder aktuell als heute, sogar näher mit den Kriegen zwischen Katholiken und Protestanten, den Türken und dem Abendland. Deshalb Spinoza:
    »Ich habe mich oft gewundert, wie Menschen, die sich rühmen, der christlichen Religion, also der Liebe, der Freude, dem Frieden, der Mäßigkeit und der Treue gegen Jedermann, zugetan zu sein, vielmehr in Unbilligkeit miteinander kämpfen und täglich den erbittertsten Hass gegeneinander zeigen können. Man kann deshalb die Gesinnung des Einzelnen eher aus solchem Benehmen als aus jener Religion entnehmen, und es ist so weit gekommen, dass man die Christen, Türken, Juden und Heiden nur an ihrer äußeren Tracht und Benehmen oder nach dem Gotteshause,
was sie besuchen, oder nach den Meinungen, an denen sie festhalten, und dem Lehrer, auf dessen Worte sie zu schwören pflegen, unterscheiden kann, während der Lebenswandel selbst bei allen der Gleiche ist.«
    Spinoza bohrt mit seiner Vernunft weiter und dehnt die Kritik an der Religion, die Scheidung der falschen von der wahren, aus zu einer Analyse der Religionsdiener. Oder sind es die Religionsherren? Die Pharisäer und Schriftgelehrten, die Prediger von Wasser, die Kaste der Priester und Popen, der Imame und Ayatollahs?

»Gerade die schlechtesten Personen«
    »Indem ich den Ursachen dieses Übelstandes [der verschiedenen Religionen] nachspürte, schien er mir unzweifelhaft daraus entstanden zu sein, dass es bei der Menge als Religion galt, wenn die Ämter der Kirche als Würden, ihr Dienst als ein Einkommen behandelt und ihre Geistlichen mit Ehren

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