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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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pflegen. Ich zeige, dass in der Bibel dies gemäß der Fassungskraft und Kenntnis derer gelehrt wird,
denen die Propheten und Apostel das Wort Gottes zu predigen pflegten, und dass sie es so getan haben, damit die Menschen es ohne Widerstreben und mit ganzem Gemüte ergriffen.«
    Die Zeiten sind damals noch fern, da ein Papst wie Benedikt XVI. in seinem erbaulichen Buch »Jesus von Nazareth« (2007) ganz selbstverständlich die Methoden und Ergebnisse der Bibelkritik benutzt, einer weiterentwickelten Bibelkritik. Behutsam und ohne Übertreibungen berücksichtigt selbst ein Papst text- und literaturkritische Einsichten, stellt zeithistorische und religionsgeschichtliche Vergleiche an.
    Satz für Satz dieser Vorrede des Traktats zu lesen bedeutet, Jahrzehnt um Jahrzehnt der europäischen Geistesgeschichte und der Entwicklung der christlichen Theologie nachzugehen. Das kann sicher nicht schnell geschehen, weil jedes Wort als Angriff auf lieb gewordene Gewohnheiten, gedankenlos fortgeschriebene Traditionen, eifersüchtig gehütete Machtstellungen erscheinen muss. Aber was hilft es den Muslimen, die Augen davor zu verschließen? Juden und Christen sind durch dieses Reinigungsbad schon gegangen. Auch wenn Spinozas Folgerungen zunächst unerbittlich schienen. Am Ende jedoch stehen für den Philosophen wieder Gott, Gerechtigkeit und Liebe:
    »Nachdem ich so die Grundlagen des Glaubens dargelegt habe, folgere ich, dass der Gegenstand der geoffenbarten Erkenntnis nur der Gehorsam sei, und deshalb von der natürlichen Erkenntnis sowohl dem Gegenstande, wie den Grundlagen und Mitteln nach gänzlich verschieden sei, mithin beide nichts miteinander gemein haben, sondern jede ihr Reich ohne alles Widerstreben der andern besitze und keine die Magd der andern zu sein brauche. Da ferner der Geist der Menschen verschieden ist, und dem einen diese, dem andern jene Meinung besser gefällt, und da das, was den einen zum Glauben, den andern zum Lachen bestimmt, so folgere ich ferner, dass jedem die Freiheit seines Urteils und das Recht, die Grundlagen des Glaubens nach seiner Einsicht auszulegen, gelassen werden müsse, und dass der Glaube eines jeden nur nach seinen Werken, ob diese fromm oder gottlos, beurteilt
werden dürfe. Denn dann werden alle von ganzem Herzen und frei Gott gehorchen können, und nur die Gerechtigkeit und Liebe wird bei allen im Werte stehen.«

Frage und Antwort
    Was Baruch Spinoza nun über den jüdischen Gottesstaat in historischer Perspektive erklärt, gilt ebenso für die christliche Theokratie. Sind beide Gesellschaftsmodelle heute erledigt, aufgelöst, säkularisiert? Wenn dem so ist, gilt dann das Gleiche auch für den Islam, die muslimische Symbiose von Religion und Politik, geistlicher und weltlicher Macht, Staatsgewalt und Ayatollah-Herrschaft?
    »Nach diesen Betrachtungen gehe ich auf den jüdischen Staat über und zeige, auf welche Weise und durch welche Beschlüsse die Religion hier die Kraft eines Gesetzes zu erhalten begann […]. Demnächst zeige ich, dass die Inhaber der höchsten Staatsgewalt nicht bloß die Bewahrer, sondern auch die Ausleger, sowohl von dem bürgerlichen wie von dem geistlichen Recht sind, und dass sie allein befugt sind, zu bestimmen, was recht und unrecht, was fromm und gottlos sein soll.«
    So ging es zu im jüdischen Staat der Bibel. So geht es zu in den muslimischen Staaten, mit denen der Dialog angesagt ist. Dazwischen liegt die Scheidung zwischen kirchlicher und weltlicher Macht, zwischen geistlichem und bürgerlichem Recht im Abendland und schließlich die Trennung zwischen Kirche und Staat in den aufgeklärten Demokratien des Westens.
    Spinozas Schlussfolgerung ist optimistisch, ein Plädoyer für die Freiheit, im Vertrauen auf den menschlichen Drang dazu.
    »Endlich schließe ich damit, dass dieses Recht am besten bewahrt und diese Herrschaft sicher erhalten werde, sofern nur jedem das, was er will, zu denken, und das, was er denkt, zu sagen gestattet ist.«
    Spinoza ahnt den Unmut, sieht voraus die Abwehr der Religiösen, die Gleichgültigkeit einer gedankenlosen, von Vorurteilen getriebenen Menge. Aber indem er höflich noch einmal auf die Kraft des vernünftigen Urteils verweist, verstärkt er sein Anliegen. Zum Nutzen für künftige Zeiten:
    »Dies biete ich den philosophischen Lesern zur Prüfung. Ich hoffe, sie werden es gern aufnehmen, da der Gegenstand sowohl des ganzen Werks wie der einzelnen Kapitel bedeutend und nutzbringend ist. Ich würde noch mehr sagen,

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