Zwischen Rom und Mekka
Freiheit zu gestalten, wohl beachtet werden.«
Es war im Dezember 1965 noch gar nicht ausgemacht, wer mit diesen ehernen Sätzen alles gemeint sein konnte.
Es sind Prinzipien, die nicht mehr verhandelbar sind. In keinem Dialog.
Kapitel 13
Paul VI. und die dogmatische Konstitution über die göttliche Offenbarung
Man hätte meinen sollen, Paul VI. und die Teilnehmer des Konzils hätten gewusst, was Offenbarung, was ihre christliche Offenbarung sei. Denn damit steht und fällt eine Religion, die sich auf Offenbarung beruft. Deren Führer und Anhänger daran glauben, dass ihre Lehre nicht von Menschen erfunden wurde. Dass sich diese auch nicht menschlich gebildet hat, sondern durch göttliche Mitteilung entstanden ist. So Anspruch und Glauben. Im Judentum, in der Christenheit und im Islam.
Die Kirche bekennt in ihrem »Credo« seit bald zwei Jahrtausenden, dass Jesus Christus, der Gründer des Christentums, als Wort Gottes Mensch geworden sei, dass Gott sich in ihm offenbart habe. Davon geben die heiligen Schriften des »Neuen Testaments«, die Evangelien und die Briefe der Apostel, nach einem festen Kanon Zeugnis. Mehr als das Wort Gottes, noch dazu in der Person des Jesus von Nazareth, kann eine Religion - im absoluten Sinn nach Hegel - nicht haben. Also sollte es Papst und Bischöfen leichtfallen, über die »Offenbarung« im Christentum Auskunft zu geben.
War es aber nicht. Weil alles fast beängstigend schwierig wird - wenn man einmal anfängt, darüber nachzudenken, in das von Ehrfurcht abgeschlossene System einzudringen und darin die Vernunft walten zu lassen. Was Christen neben dem Bekenntnis des Glaubens ebenfalls seit bald zwei Jahrtausenden in der Theologie, in der Deutung ihrer heiligen Schriften taten, in der vernunftgemäßen Befragung des Gotteswortes und dem Versuch, darauf zu antworten.
Europäische Denker und deutsche Philosophen
Große europäische Denker, wie etwa Spinoza (1632-1677), traten gleichsam einen Schritt von der christlichen Religion und ihrer Unantastbarkeit zurück und fragten mit schonungsloser Vernünftigkeit, wie Offenbarung denn überhaupt möglich sei, wie man sie erkennen, woran man sie messen könne (siehe Kapitel 36).
Im 18. und 19. Jahrhundert waren besonders deutsche Philosophen, bedeutende und weniger bedeutende, so weit, die göttliche Offenbarung der Christenheit vor das Gericht ihrer Vernunft zu ziehen. Die einen, so Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781) oder Immanuel Kant (1724-1804), ließen respektvoll die Möglichkeit einer göttlichen Mitteilung, einer von Gott gestifteten Religion gelten, wenn diese sich nur »in den Grenzen der bloßen Vernunft« (Kant) verhielte. Andere, wie etwa Ludwig Feuerbach (1804-1872), lösten die Offenbarung ganz auf, erklärten sie schlankweg zum Spiegelbild, zur Projektion menschlicher Gedanken und Vorstellungen und ließen nichts Übernatürliches mehr zu. Die Päpste der letzten zweieinhalb Jahrhunderte waren weder über die einen noch die anderen begeistert und schleuderten ihren Bannstrahl gegen die Herrschaft der Vernunft über die Religion. Aber die Ideen der Aufklärer waren in der Welt, und die Religiösen mussten sich in Europa mit ihnen auseinandersetzen.
Die Fragen nach der Offenbarung Gottes entpuppen sich so als Grundfragen des Christentums: Ist Offenbarung, die Mitteilung göttlicher Wahrheiten, überhaupt möglich? Wenn ja, wie, wann, wo hat sie sich ereignet, und warum gerade so, damals und dort? Wenn Gott sich den Menschen durch Propheten mitteilt, wie, in welcher Sprache kann es aufgenommen und weitergegeben werden? Die Fragen nach der Offenbarung sind so gewichtig, dass sich an den Diskussionen über dieses Thema die Geister der Bischöfe schieden und das Konzil unter den Augen Pauls VI. gerade in der Antwort darauf »sein Selbstbewusstsein fand«, wie es hieß.
Es sind Fragen, denen sich auch der Islam stellen muss, die
deshalb auch in Europa und nicht zuletzt in einem Dialog neues Gewicht erhalten. In rationaler Redlichkeit. Weil Fragen nicht aus der Welt zu schaffen sind, und nicht aus der Vernunft.
Denn es gibt verschiedene Religionen, die sich auf eine Offenbarung Gottes berufen. Die Juden etwa auf ihre Bibel, jenen Teil, den die Christen »Altes Testament« nennen. Oder nun die Muslime, die nach den Juden und Christen im Koran des Propheten Mohammed »das Siegel der Propheten«, die »definitive Offenbarung«, die endgültige und letzte Selbstmitteilung Gottes zu haben beanspruchen.
Auf Einflüsterung
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