Zwischen Rom und Mekka
erhoben - nachdenklich
gestimmt, dass die Muslime in der benachbarten Sowjetunion dem staatlich verordneten Atheismus mehr Widerstand entgegenzusetzen schienen als die orthodoxen Christen und ihre Popen. Aber viele Gedanken darüber musste sich der Pole über den Islam in seinem traditionellen Katholizismus nicht machen, als er zum Konzil (1962-1965) und später immer wieder in die Kirchenzentrale nach Rom reiste. Die Religionsfreiheit der Katholiken in einem kommunistischen Regime und ihr geistliches Auskommen mit dieser modernen Welt waren seine Hauptsorge.
Christliche Gemeinden im Muslimland
Unter den vielen neuen Erfahrungen für die Teilnehmer des Konzils war auch die Entdeckung der katholischen Ostkirchen. Deren würdige, bärtige Patriarchen und Bischöfe fielen auf, schon wegen ihrer fremden, prachtvollen Gewänder. Sie waren die Vertreter jener Christen des griechischen Ritus, die mit Rom »verbunden«, »uniert«, waren, und sie kamen aus dem alten christlichen Orient, der nun muslimisch war, aus Alexandrien in Ägypten, aus »Antiochien« (mit Sitz im libanesischen Beirut oder im syrischen Damaskus) oder dem Heiligen Land. Sie berichteten über das Schicksal der kleinen christlichen Gemeinden im Muslimland. Und das war selten erfreulich, vielleicht erträglich, doch meist bedrückend. Sie waren in ihrer Heimat an den Rand gedrängt, bestenfalls widerwillig geduldet.
Bis heute sind diese Christengemeinden unter lauter Muslimen für den Vatikan der Prüfstein für Religionsfreiheit, Toleranz und die Achtung von Minderheiten durch den Islam in der Praxis. Im Rahmen des Konzils erschien es als guter Nebeneffekt, dass »der Westen« die traditionsreichen vielfältigen Christen des Orients mit ihren stolzen Nationalkirchen zur Kenntnis nahm. Ihr Eigensinn mochte zuweilen befremden. Aber dass ihr Schutz und ihr Gedeihen in den muslimischen Ländern aufmerksam beobachtet werden sollten, fordern nicht nur religiöse Menschenrechtler.
Als Johannes Paul II. im Oktober 1978 an die Spitze der Kirchenführung
trat, war der Islam kein Hauptthema; als er Anfang April 2005 starb, sehr wohl. Zum Amtsantritt lud er nur die Delegationen der nicht katholischen christlichen Kirchen ein und hielt ihnen eine freundliche Ansprache. Bei Benedikt XVI., ein gutes Vierteljahrhundert später, wurden auch die Vertreter der anderen nicht christlichen Religionen, selbstverständlich Muslime eingeschlossen, zur ersten Audienz geladen.
Christen und Muslime in Schwarzafrika - Die Reisen
Es waren die Reisen, die Johannes Paul II. auf das große Problem des Islam stießen. Dass es 1978/79 im Iran zu einem revolutionären Umsturz kam - den man später »Islamische Revolution« nannte und der weltpolitisch einen Meilenstein markierte -, wurde im Vatikan zwar aufmerksam registriert, doch in seinen Auswirkungen höchstens ein wenig wachsamer und bedenklicher eingeschätzt als in anderen Regierungszentralen. Der neue Papst setzte seine Schwerpunkte auf anderen Feldern. Die diplomatischen Beziehungen zwischen Teheran und dem Vatikan blieben bestehen. Was sich aus dem Islamregime des Ayatollah Chomeini entwickeln, wie lange es bestehen würde, war schwer abzusehen.
Die Reisen schärften das Bewusstsein. Zuerst jene Ende November 1979 in die Türkei. Da konnte der Papst noch so tun, als ginge es nicht um eine Begegnung mit Muslimen, weil der Hauptgrund der Visite das Treffen mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel (Istanbul), Dimitrios I., am Andreasfest, dem 30. November, war und die Türkei nach dem Willen ihres Gründers Atatürk eine laizistische Republik mit einer Trennung zwischen Religion und Politik sein wollte. Dass es damals Drohungen gegen das Oberhaupt der Kirche von muslimischen Extremisten, darunter einem gewissen Ali Agca, gab, dass dieser junge Killer dann tatsächlich eineinhalb Jahre später ein Attentat auf den Papst verübte, am 13. Mai 1981 - diesem muslimischen Hintergrund wurde offiziell im Vatikan kaum Bedeutung beigemessen. Vielleicht lag es daran, dass es auch einen kommunistischen Hintergrund gab, von der italienischen
Justiz als »Pista Bulgara«, als »bulgarische Spur«, dingfest gemacht. Kommunisten und Muslime als Papstfeinde - der Vatikan schwieg offiziell dazu.
Das änderte sich. Die Aufmerksamkeit für den Islam wuchs schlagartig im Februar 1982, bei der zweiten Reise Johannes Pauls II. nach Afrika, in Nigeria. Schon zuvor hatte der Papst - entsprechend der Vorgabe des Konzils - bei verschiedenen
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