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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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Staat, gegenüber dem Irrtum, dem Nichtkatholischen überhaupt. »Allein selig machend« zu sein, hatte sie behauptet. Wie konnte es außerhalb ihrer Grenzen »Heil« geben und die Freiheit dazu? Musste man das eingestehen?
    Die römische Auffassung war besonders in den Vereinigten Staaten von Amerika in den zwei Jahrhunderten seit der Proklamation der Verfassung 1776 aus dem Geist religiöser Toleranz mehr denn je obsolet geworden. Die traditionelle katholische Auffassung erwies sich für katholische Bürger als ziviles Handicap; erst im November 1959 (mit Johannes XXIII.) wurde John F. Kennedy als erster Katholik zum Präsidenten gewählt. Die amerikanischen Bischöfe und Theologen drängten auf Bereinigung und - das war ihr stärkstes Argument - die Rückkehr zum Verständnis von Freiheit wie in den ersten Jahrhunderten des Christentums. Man konnte die christlichen Ursprünge ohne Gewalt, Zwang oder Anpassungsdruck wieder aufnehmen und mit dem modernen Verständnis der zivilen Freiheit aus Toleranz verbinden. In den ersten Jahrhunderten des Christentums waren die Christen im Römischen Reich Bürger zweiter Klasse gewesen. Dieses Unrecht anderen zuzufügen konnte nicht christlich sein.
    Kein anderer Text des Konzils wurde so lange und intensiv bearbeitet, verworfen und umgeschrieben. So war es kein Wunder, dass er erst als letzte Erklärung »über die Religionsfreiheit« unter dem Titel »Dignitatis humanae« (»Die Würde der menschlichen Person«) am 7. Dezember 1965 gebilligt, mit 2308 Jagegen 70 Nein- bei acht ungültigen Stimmen, und am selben Tag feierlich verkündet wurde. Die katholische Kirche hatte einen gewaltigen Schritt gemacht, als sie im Untertitel hinzufügte: »Das Recht der Person und der Gemeinschaften auf gesellschaftliche und bürgerliche Freiheit in religiösen Dingen«. Es schien, dass die Bischöfe die Zeichen der Zeit erkannt hatten, als sie erklärten:
    »1. Die Würde der menschlichen Person kommt den Menschen unserer Zeit immer mehr zum Bewusstsein, und es wächst die Zahl derer, die den Anspruch erheben, dass die Menschen bei ihrem
Tun ihr eigenes Urteil und eine verantwortliche Freiheit besitzen und davon Gebrauch machen sollen, nicht unter Zwang, sondern vom Bewusstsein der Pflicht geleitet. In gleicher Weise fordern sie eine rechtliche Einschränkung der öffentlichen Gewalt, damit die Grenzen einer ehrenhaften Freiheit der Person und auch der Gesellschaftsformen nicht zu eng umschrieben werden. Diese Forderung nach Freiheit in der menschlichen Gesellschaft bezieht sich besonders auf die geistigen Werte des Menschen und am meisten auf das, was zur freien Übung der Religion in der Gesellschaft gehört.«

Wahrheit in Freiheit
    Papst und Konzil bleiben bei ihrem Wahrheitsanspruch: »Diese einzige wahre Religion, so glauben wir, ist verwirklicht in der katholischen, apostolischen Kirche.« Aber sie ergänzen sofort: »Anders erhebt die Wahrheit nicht Anspruch als kraft der Wahrheit selbst.« Die Freiheit von Zwang in der staatlichen Gesellschaft ist damit ein für alle Mal für sich und andere festgeschrieben. Wie folgt:
    »2. Das Vatikanische Konzil erklärt, dass die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat. Diese Freiheit besteht darin, dass alle Menschen frei sein müssen von jedem Zwang sowohl vonseiten Einzelner wie gesellschaftlicher Gruppen wie jeglicher menschlichen Gewalt, sodass in religiösen Dingen niemand gezwungen wird, gegen sein Gewissen zu handeln, noch daran gehindert wird, privat und öffentlich, als Einzelner oder in Verbindung mit anderen - innerhalb der gebührenden Grenzen - nach seinem Gewissen zu handeln […]. Dieses Recht der menschlichen Person auf religiöse Freiheit muss in der rechtlichen Ordnung der Gesellschaft so anerkannt werden, dass es zum bürgerlichen Recht wird […] im Genuss der inneren, psychologischen Freiheit und zugleich der Freiheit von äußerem Zwang.«
    Das ist inzwischen internationaler Standard - als Ziel.

Im Gegensatz zur Scharia
    Demnach, so lautet die Schlussfolgerung, »muss die staatliche Gewalt, deren Wesenszweck in der Sorge für das zeitliche Gemeinwohl besteht, das religiöse Leben der Bürger nur anerkennen und begünstigen, sie würde aber, wie hier betont werden muss, ihre Grenzen überschreiten, wenn sie so weit ginge, religiöse Akte zu bestimmen oder zu verhindern«. Kaum jemandem auf dem Konzil war bewusst, das dies der Scharia, dem religiöspolitischen Gesetz des Islam, grundsätzlich

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