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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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öfter geschlagenen als siegreichen Volkes geschildert, bei denen Gott als »Herr der Heerscharen« aktiv beteiligt war, mal gnädig zur Rettung verhelfend, mal zornig das Verderben zulassend. So wie es auch ohne Gott geht.
    Im Neuen Testament jedoch spricht Jesus Christus zu Petrus, als dieser ihn gegen »eine große Schar mit Schwertern und mit Stangen« vor der Gefangennahme im Garten Gethsemane verteidigen will: »Stecke dein Schwert in die Scheide! Denn wer das Schwert nimmt, der soll durchs Schwert umkommen.« Dieses Wort beeindruckte Kirchenväter und Theologen schon in den ersten Jahrhunderten und legte die Grundausrichtung des Christlichen fest.
    Augustinus, der größte Kirchenvater des Abendlands (354 bis 410), schrieb unter dem Eindruck des zusammenbrechenden Römischen Reiches vor den heranrückenden stärkeren Völkern aus dem Norden Europas in seinem Hauptwerk »De civitate Dei« (»Über den Gottesstaat«), gottergeben und bar jeder aggressiven Initiative: »Wir verehren den Gott, der auch bei den Kriegen, wenn das Menschengeschlecht durch dieses Mittel gebessert [!] und gezüchtigt [!] werden muss, Anfang, Fortgang und Ende leitet.«
    Der bedeutendste Theologe des Mittelalters, Thomas (1224 bis 1275) aus Aquino, einem kleinen Ort an der Straße zwischen Rom und Neapel, stammte aus einem Land, das sich jahrhundertelang in inneren Zwistigkeiten aufrieb und außerdem unter den beständigen Angriffen der muslimischen Araber zu leiden hatte; die Chronik einer jeden alten italienischen Stadt weiß von solchen Überfällen, Plünderungen und Brandschatzungen der Sarazenen im Mittelalter zu berichten. Deshalb handelt Thomas in seiner »Summa Theologica« ausführlich vom Krieg (II, II, Quaestio 40) und fragt, »ob Kriegführen immer Sünde sei«. Vier aus der Heiligen Schrift und der Vernunft abgeleitete Gründe zählt er auf und zieht den Schluss: »Es scheint also, dass der Krieg grundsätzlich Sünde ist.« »Sed contra est«,
fährt er fort, »dagegen jedoch spricht« - und nun werden drei Grundsätze aufgestellt, wodurch »bellum sit iustum«, »der Krieg gerecht sein kann«:
    Die Autorität des Herrschers, auf dessen Befehl Krieg geführt werden soll, müsse legitim sein und so, dass die Worte des Paulus aus dem Römerbrief (13,4) zutreffen: »Denn die Obrigkeit trägt das Schwert nicht umsonst: sie ist Gottes Dienerin, eine Rächerin zur Strafe über den, der Böses tut.« Der zweite Grundsatz ist die »gerechte Sache« gegen ein Unrecht, der dritte die rechte Absicht der Kriegführenden, das Gute zu befördern oder das Böse zu verhindern. Für die wahre Religion zu kämpfen hieße also, das Gute zu befördern. Oder?
    Daraus entwickelte sich später unter den christlichen Theologen und Philosophen, bei Alfonsus, Suárez, Vitoria, Grotius oder Molina, eine dezidierte Lehre vom »gerechten Krieg«, genauer von der Möglichkeit, dass ein Krieg auch gerecht sein könne, speziell dann, wenn einem ungerechten Krieg - oder der Bitte des Fürsten um Rechtfertigung eines Verteidigungskriegs - zu antworten ist. Zur politischen Wertung freilich, etwa wer der ungerechte Angreifer, wer der gerechte Verteidiger sei, konnte die Theologie wenig beitragen. In dem 1958 veröffentlichten katholischen Standardwerk des spanischen Moraltheologen Zalba, »Theologiae moralis compendium«, wird sauber distinguiert, auch »quoad usum armorum atomicorum«, auch »was den Gebrauch der Atomwaffen angeht«. Die Kühle der lateinisch präzisierten Gedanken berührt eigentümlich, dürfte aber hilfreicher sein, als wenn in einem 1978 erschienenen ökumenischen »Handbuch der christlichen Ethik« (beider Konfessionen in Deutschland) das Stichwort »Krieg« gar nicht mehr erscheint. Krieg war da aus der christlichen Ethik verbannt, doch in der Wirklichkeit noch nicht abgeschafft.
    Immer deutlicher sahen die Päpste in diesem Jahrhundert, dass die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg vielleicht für begriffliche Klarheit sorgen könne, doch den Menschen ungeheures, nicht mehr zu rechtfertigendes Leid zufüge. Die Friedensappelle Pius’ X. und Benedikts XV. anlässlich des Ersten Weltkriegs verhallten jedoch ebenso ungehört wie die Warnung
Pius’ XII. in einer Radiobotschaft am 24. August 1939, unmittelbar vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs: »Nichts ist mit dem Frieden verloren. Aber alles kann mit dem Krieg verloren sein.« Ob der verbrecherische deutsche Diktator anders als durch einen Krieg hätte in die Schranken

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