Zwischen Rom und Mekka
stelle zu theoretisch den absoluten Wert des Friedens und das absolute Übel eines Krieges heraus.
Ein Papst steht mit seinen Erklärungen nicht außerhalb der politischen Entwicklung. Ein deutlicher Hinweis in jener Zeit des Irakkonflikts 1990/91 auf die traditionelle kirchliche Lehre vom »gerechten Krieg« - unter Ausschluss der Atombombe - wäre verstanden worden als Parteinahme gegen den Irak, ein arabisch-muslimisches Land, gegen dessen Diktator und die Annexion Kuwaits und als Erlaubnis für die Vereinigten Staaten von Amerika, verletztes Recht wiederherzustellen. Hätte der Papst in den letzten vier Wochen nach Aufnahme der Bombardierungen durch die Koalition der Vereinten Nationen nicht die Schrecken des Krieges beklagt und kein Wort für die Opfer gefunden, hätte man ihn kalter Unmenschlichkeit geziehen.
Johannes Paul II. zitierte einen seiner Vorgänger, Pius XII., und dessen Doppelbegriff von »Frieden und Gerechtigkeit, Frieden in Gerechtigkeit« und vermied durch das Wort von der »Unparteilichkeit« des Vatikans, die »ein Urteil nach Wahrheit und Gerechtigkeit« ermögliche, jede Zweideutigkeit. Im Oktober 1953 hatte Pius XII. in einer Ansprache an Militärärzte gültige Worte für die Zukunft gefunden, die jeden Vorwand, auch einer religiösen Motivation, zurückweisen:
»Möge international jeder Krieg bestraft werden, der nicht durch die unbedingte Notwendigkeit gerechtfertigt ist. Zum Krieg kann man allein gezwungen sein, um sich gegen eine schwere Ungerechtigkeit
zu verteidigen, die die Gemeinschaft trifft und die man nicht mit anderen Mitteln abwenden kann, weil sonst anstelle internationaler Beziehungen brutale Gewalt und Gewissenlosigkeit freien Lauf hätten. Wenn die Schäden, die der Krieg mit sich bringt, in keinem Verhältnis zu der ertragenen Ungerechtigkeit stehen, kann es Pflicht sein, das Unrecht hinzunehmen. Das gilt vor allem für den Atombomben-, den biologischen und den chemischen Krieg. Nach den Gräueln zweier Weltkriege haben wir nur daran zu erinnern, dass jede Verherrlichung des Krieges als Verwirrung des Geistes und des Herzens verurteilt werden muss.«
Mit Gewalt und Krieg kann und darf Religion also nichts zu tun haben. In diese Gemeinschaft der Religiösen nimmt der Papst die Muslime mit hinein.
Richtlinien für den Dialog der Kirche mit dem Islam
Am Ende des Jahrzehnts, Jahrhunderts, Jahrtausends war es so weit. Nach vielen theoretischen Erwägungen hatte man im Vatikan die grundsätzliche Position gegenüber dem Islam gefunden. In der Generalaudienz vom 5. Mai 1999 stellte Johannes Paul II. Richtlinien für den Dialog der Katholiken mit dem Islam auf, die von Muslimen sehr beachtet und immer wieder zitiert wurden und die nach wie vor ihre Gültigkeit haben:
»1. Wir vertiefen das Thema des interreligiösen Dialogs und denken heute über den Dialog mit den Muslimen nach, die ›mit uns den einen Gott anbeten, den barmherzigen‹. Die Kirche betrachtet sie mit Wertschätzung. Sie ist nämlich überzeugt, dass ihr Glaube an einen transzendenten Gott dazu beiträgt, eine neue, auf die höchsten Erwartungen des menschlichen Herzens gegründete Menschheitsfamilie aufzubauen.
Auch die Muslime blicken wie Juden und Christen auf die Gestalt Abrahams als Vorbild der bedingungslosen Unterwerfung unter die Ratschlüsse Gottes. Nach dem Beispiel Abrahams bemühen sich die Gläubigen, Gott die Stellung in ihrem Leben zu geben, die Ihm als Ursprung, Herrn, Lenker und letztem Ziel
aller Wesen zukommt. Dieses Bereitsein und Sich-Öffnen des Menschen dem Willen Gottes gegenüber zeigt sich in der Haltung des Gebets, in der sich das existenzielle Befinden jedes Menschen vor dem Schöpfer ausdrückt.
Auf der Spur von Abrahams Ergebensein in den göttlichen Willen findet sich eine Frau aus seiner Nachkommenschaft, die Jungfrau Maria, Mutter Jesu, die, besonders in der Volksfrömmigkeit, auch von den Muslimen mit Verehrung angerufen wird.
2. Mit Freude erkennen wir Christen die religiösen Werte, die wir mit dem Islam gemein haben. Ich möchte heute wiederholen, was ich vor einigen Jahren zur muslimischen Jugend in Casablanca gesagt habe: ›Wir glauben an denselben Gott, den einzigen, den lebendigen, den Gott, der die Welten schafft und seine Geschöpfe zur Vollendung führt.‹ Das Erbe der biblischen Offenbarungstexte spricht übereinstimmend von der Einzigkeit Gottes. Auch Jesus bestätigt diese […].
3. Die Beziehungen vermindern die göttliche Einheit nicht im Geringsten
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