Zwischen Rom und Mekka
gewiesen werden können?
Frieden auf Erden für alle Menschen guten Willens
Johannes XXIII. machte sich mitten im Kalten Krieg zum Fürsprecher der den Frieden auf der ganzen Welt ersehnenden Menschheit, als er im April 1963, zwei Monate vor seinem Tod, die Enzyklika - zum ersten Mal »an alle Menschen guten Willens« gerichtet - mit den programmatischen Worten: »Pacem in terris«, »Frieden auf Erden«, begann und schrieb: »Mehr und mehr hat sich in unseren Tagen die Überzeugung unter den Menschen verbreitet, dass die Streitigkeiten, die unter Umständen zwischen den Völkern entstehen, nicht durch Waffengewalt, sondern durch Verträge und Verhandlungen beizulegen sind.« Das war die Hoffnung.
Was die Kirchenführer wie alle Verantwortlichen in der Politik zunehmend beunruhigte, verkündeten die Bischöfe des Zweiten Vatikanischen Konzils im 5. Kapitel der »Pastoralkonstitution: Die Kirche in der Welt von heute, Gaudium et Spes« (»Freude und Hoffnung«) am 7. Dezember 1965:
»Mit der Fortentwicklung wissenschaftlicher Waffen wachsen der Schrecken und die Verwerflichkeit des Krieges ins Unermessliche. Die Anwendung solcher Waffen im Krieg vermag ungeheure und unkontrollierbare Zerstörungen auszulösen, die die Grenzen einer gerechten Verteidigung weit überschreiten […]. All dies zwingt uns, die Frage des Krieges mit einer ganz neuen inneren Einstellung zu prüfen.«
Die Bischöfe legten damals die Leitlinien der päpstlichen Schreiben, der vatikanischen Diplomatie und der verschiedenen Bemühungen einzelner Episkopate, zum Beispiel der Bundesrepublik Deutschland und der Vereinigten Staaten von Amerika, fest, als sie hinzufügten: »Es ist also deutlich, dass wir
mit all unseren Kräften jene Zeit vorbereiten müssen, in der auf der Basis einer Übereinkunft zwischen allen Nationen jeglicher Krieg absolut geächtet werden kann. Das erfordert freilich, dass eine von allen anerkannte öffentliche Weltautorität eingesetzt wird, die über wirksame Macht verfügt, um für alle Sicherheit, Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten.«
Schon darin wird eine »öffentliche Weltautorität mit wirksamer Macht« gefordert, als die heute die meisten Menschen die Gemeinschaft der Vereinten Nationen sehen. Dass diese unter Umständen auch nur wiederum zum Mittel eines Krieges greifen kann und muss, wenn ihre moralische Macht nicht ausreicht, war vielleicht nicht vorgesehen, aber wohl auch nicht ausgeschlossen. Eine internationale, von allen unangetastete Friedensordnung, wie sie jahrelang vom Kardinalstaatssekretär Agostino Casaroli (1979-1990) als wahres Ziel der Abrüstungsverhandlungen angestrebt wurde, will sich offenbar auf Erden nicht einstellen.
Kein »gerechter Krieg« mehr
Andererseits bedrängten Johannes Paul II. Bedenken, ob angesichts des gewaltigen Zerstörungspotenzials moderner Waffen überhaupt noch etwas, ein verletztes Gut, ein zugefügtes Unrecht, durch einen Krieg »saniert« werden könne. Diese Zweifel trieben ihn um, als er im Juni 1982 während des Falklandkriegs beide Gegner, Großbritannien und Argentinien, besuchte und auf meine Frage hin in einer spontanen Überlegung immer mehr die Möglichkeit eines gerechten Krieges einschränkte.
Dies veranlasste ihn, am 12. Januar 1991 den Vatikanbotschaftern aus 126 Staaten, muslimische eingeschlossen, zu erklären: »Die Anwendung von Gewalt für eine gerechte Sache wäre nur dann erlaubt, wenn sie dem Ergebnis entspräche, das man erreichen will, und wenn man die Konsequenzen berücksichtigte, die militärische Aktionen, die durch die moderne Technologie immer zerstörerischer geworden sind, für das Überleben der Völker und des gesamten Planeten haben.« Es schien damit,
dass nach päpstlicher Überzeugung nur noch die - zaghaft entstehende - internationale Friedensordnung und deren eindeutige Verletzung einen begrenzten Krieg zu rechtfertigen vermag. Ob dessen zerstörerische Macht ein solches Gut wiederherstellen kann, ob der anfängliche Schaden von dem späteren übertroffen wird, kann freilich nicht die Theologie entscheiden.
Das Thema »Krieg und Frieden« und die Stellung der Religionen dazu ließ den Papst in jenen Monaten nicht los. Selbst bei der Sonntagsmesse in einer römischen Pfarrei, in Santa Dorotea im Stadtteil Trastevere im Februar 1991, sprach er darüber: »Wir sind keine Pazifisten, wir wollen keinen Frieden um jeden Preis.« Johannes Paul II. musste sich gegen den Vorwurf verteidigen, er
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