Zwischen Rom und Mekka
Festtagskleid zum Papstbesuch zeigt. Daneben in einer Klinik Ärzte und Krankenschwestern, die auch denen beistehen, die kein Geld haben, nicht katholisch sind; in der Schule Lehrer, die Jungen und Mädchen unabhängig von ihrer Religion Bildung vermitteln; in einer Hochschule Priester und Ordensleute, die Philosophie lehren für künftige Priester und junge interessierte Muslime. Dass die Kirche den Menschen bei der Suche nach einem würdigeren Dasein beisteht, im Erziehungssystem, im Gesundheitswesen und bei den sozialen Diensten, war nur ein Satz in der Rede des Papstes, ist aber das Entscheidende, worauf Indonesien nicht verzichten kann und wofür die Kirche immer wieder neue Kräfte wecken muss.
Friedlicher Wettbewerb um die Seelen
Dabei traf es sich, dass in der Hauptstadt Jakarta die Führer des Landes, allen voran Präsident Suharto, den Geburtstag des Propheten Mohammed feierten und der Bedeutung des Islam für
ihre Nation gedachten, während Johannes Paul II. auf der Insel Flores weilte. Ganz unter den Seinen. Denn hier sind die Katholiken in jener gewöhnlich »erdrückend« genannten Mehrheit, mit welcher die Muslime im gesamten Inselreich leben - mit 84 Prozent. Johannes Paul II. forderte die Gläubigen auf, »Zeugen Christi« zu sein. Etwas Ähnliches empfahlen Präsident Suharto und der Minister für religiöse Angelegenheiten, Munawir, mit ihrer Deutung des Koran den Muslimen. Darin stünden Gottes eigene Worte; die Lehren des Propheten zu beachten sei deshalb rechte Muslimpflicht.
Suharto sprach allgemein von der Rolle des Rechts im Leben einer Nation und davon, dass man heute säen müsse, damit sich kommende Generationen an der Ernte erfreuen könnten, dass man ebendeshalb jetzt jedoch nicht ernten könne. Der Minister hingegen las wie ein strenger Prediger der Festversammlung sozusagen die Leviten, tadelte, dass »viele von uns ihre Macht und das Vertrauen des Volkes missbrauchen«, dass »soziale Solidarität nottut« und »die Arbeitsmoral nicht hoch genug« sei. »Gott ändert nicht das Schicksal eines Volkes«, mahnte der Minister mit Berufung auf den Koran, »wenn nicht die Nation das Gleiche versucht.«
Aus dem Geist des Christentums hätte der Papst dem nicht widersprochen. Im Gegenteil. Harmonie unter den Religionen und deren Einsatz für das Wohl der Menschen war bis zum Schluss das Leitmotiv der päpstlichen Visite im muslimischen Indonesien. Etwas anderes wäre auch schwer möglich gewesen in einem Land, in dem die katholische Kirche auf das Wohlwollen der Mehrheit unter dem Halbmond angewiesen ist, in dem jedoch ebenso die Regierung jeden religiösen Extremismus - von welcher Seite auch immer - als Gefährdung einer labilen politischen Balance zwischen gänzlich verschiedenen Gruppen fürchten muss. Viel Übereinstimmung zwischen Papst und Präsident!
Gerechtigkeit und Menschenwürde, Toleranz und sympathisches Miteinander schienen deckungsgleich aus Bibel und Koran - wie in einer Synopse mit ähnlichen Belegstellen - zusammenzufließen. Aber natürlich hatte weder Suharto noch der
Papst die eigene Überzeugung verraten, dass hier Mohammed, da Jesus das endgültige Wort Gottes an die Menschheit gewesen sei. Nur hat sich jeder das Seine gedacht und vor den eigenen Gläubigen auch ausgesprochen. Für Indonesien sind radikale Muslime, gar unter der Regie eines »Ayatolla«, gefährlich. Fundamentalisten können das mühsam errichtete Gleichgewicht unter den Indonesiern stören und das Riesenreich in Zwietracht und Chaos stürzen. Auch in der Völkergemeinschaft hat ein extremistisch muslimischer Staat, so zeigt die Erfahrung, einen schweren Stand und wenig Zukunft; man meidet ihn. Zu Weltmacht wird es ein solcher nie bringen können; denn die Zeiten eines islamischen Großreiches - von Marokko bis Indonesien mit Ausläufern bis nach Russland - werden kaum anbrechen. Also muss sich der Islam einfügen in die internationale Gemeinschaft; also wäre ein rein islamischer Staat Indonesien ohne Toleranz gegenüber den anderen Religionen anachronistisch. Deshalb war Johannes Paul II. auf Java und Sumatra, Flores und Timor ein gern gesehener Gast.
Der Papst hat die Fähigkeit der Kirche zur Toleranz bewiesen, zum friedlichen Wettbewerb um die Seelen der Menschen mit anderen Religionen. Und Religionen werden mehr denn je daran gemessen, ob sie miteinander friedlich umgehen. Indonesien kann dafür ein Beispiel sein. Auf Bali beeindrucken die Dörfer mit den Zeichen des Religiösen, den
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