Zwischen Rom und Mekka
Montag (18. September) erklärte, um eine gerechte und vorurteilsfreie Würdigung des gesamten Textes der Vorlesung. Doch feindliche Protestkundgebungen und unerhörte Drohungen gegen Christliches, Westliches und den Vatikan nahmen in der islamischen Welt beängstigend zu. Hier und da wurden Papstpuppen verbrannt, dazu amerikanische und deutsche Nationalflaggen, sei es aus spontaner Wut oder von interessierter Seite angestiftet. Eine extremistische Terrororganisation verbreitete über das Internet terroristische Drohungen gegen den Vatikan und gegen den Papst.
Mord und Drohungen
Dazu erschreckte die Ermordung der katholischen italienischen Ordensschwester Suor Leonella in Mogadischu. Die fast 70 Jahre alte Ordensfrau, die seit Langem in einem Krankenhaus wirkte und gerade von einer Lehrtätigkeit im sozialen Bereich zurückkehrte, wurde zusammen mit einem Leibwächter von Verbrechern erschossen. Die Tat wurde radikalen Islamisten aus religiösen Motiven zugeschrieben. Der schockierte Benedikt klagte und hoffte: »Das so vergossene Blut werde Same der Hoffnung, um eine wahre Brüderlichkeit unter den Völkern aufzubauen im gegenseitigen Respekt der religiösen Überzeugungen eines jeden!« In Somalia war es schon in der Vergangenheit immer wieder zu Terrorüberfällen gegen Christen gekommen; im Juli 1989 hatte man dort sogar den katholischen Bischof Salvatore Colombo umgebracht. In der Türkei, nächstes Ziel einer päpstlichen Reise, hatte ein muslimischer Extremist im Februar einen italienischen Priester ermordet.
Es kam noch heftiger. Nach Drohungen der islamistischen Terrororganisation Al-Qaida gegen Papst Benedikt XVI. wurden in Rom die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, vor allem für den Vatikanstaat und vatikanische Einrichtungen. In einer über das Internet verbreiteten Botschaft hatten die Muslimterroristen
gedroht: »Wir werden Rom erobern, wie es der Prophet (Mohammed) versprochen hat.« Damit bezogen sich die Extremisten auch auf die Plünderung und Brandschatzung der heiligen Stätten von Sankt Peter und Sankt Paul in Rom durch Muslime am 26. August 846.
Der italienische Ministerpräsident Prodi suchte zu beruhigen, auch nach einem Treffen in New York mit dem iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Als freundliche Geste und notwendige Hilfe veröffentlichte die Vatikanzeitung »Osservatore Romano« den von Muslimen beanstandeten Text der Rede auch in arabischer Sprache. Der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Ruini, bekräftigte die »totale Solidarität« der italienischen Bischöfe mit dem Papst und wandte sich »mit Überraschung und Schmerz gegen alle einschüchternden Gesten und unqualifizierten Drohungen«. Italienische Politiker verteidigten den Papst. Später beklagte der Präsident der Europäischen Kommission, Barroso, fehlende Solidarität unter den führenden Politikern Europas für den Papst. Im Europäischen Parlament fand der Antrag auf eine Solidaritätserklärung für den Papst keine Mehrheit; deshalb schloss der Parlamentspräsident, der Spanier Borrell, eine entsprechende Initiative aus.
Der Bürgermeister von Rom, Veltroni, bekräftigte am Dienstag (19. September) bei einem von ihm initiierten Treffen mit Vertretern der »drei Religionen aus dem Samen Abrahams« auf dem Kapitol die Bedeutung Roms als »Stadt des Friedens« und die Verpflichtung Roms »zur Förderung des Dialogs zwischen Kulturen und Religionen«. Anwesend waren bei dem Treffen Kardinal Poupard als Präsident des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog, der römische Oberrabbiner Riccardo Di Segni und der Imam der Moschee von Rom, Sami Salem.
Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist
Am Mittwoch (20. September) erhöhten die Sicherheitskräfte ihre Aufmerksamkeit für die traditionelle wöchentliche Generalaudienz des Papstes mit Tausenden von Pilgern und Besuchern aus aller Welt. Eine neue Gelegenheit für Benedikt, nicht
nur Bilanz über einen schönen Heimatbesuch zu ziehen und die Intentionen seiner Vorlesung darzulegen, sondern auch, um wieder bei den Muslimen um gut Wetter zu bitten. So wörtlich in deutscher Sprache:
»Ein besonderes Anliegen war es mir, das Verhältnis von Glaube und Vernunft und die Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs sowie des Dialogs zwischen Wissenschaft und Religion aufzuzeigen. Hier bedarf es der Selbstkritik und, wie ich in München hervorgehoben habe, der Toleranz, die ›die Ehrfurcht vor dem, was dem anderen heilig ist‹,
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