Zwischen Rom und Mekka
nachreichte - als Entschuldigung nicht ausdrücklich deklariert, doch als Eingeständnis eines Fehlers interpretierbar.
Überflüssig wie ein Kropf
Dabei waren die beiden Worte, die den Zorn der Muslime, spontanen oder bestellten, erregt haben, so überflüssig wie ein Kropf, weil sie für die päpstlich-professorale Argumentation gänzlich unerheblich sind. Zugleich erscheinen sie als offensichtliche Invektiven. Wer konnte im Vatikan meinen, man ließe dem Führer
einer Weltreligion die Beleidigung des Gründers einer anderen durchgehen! »Schlechtes und Inhumanes« bei dem Propheten Mohammed zu finden gehört zu dem begreiflichen Wortschatz eines Krieg führenden byzantinischen Kaisers des ausgehenden Mittelalters, aber nicht zur Weisheit eines Papstes im angehenden 21. Jahrhundert, der den Zusammenstoß von Religionen und Kulturen verhindern will.
Doch wenn auch der höchste Sprecher der Christenheit vom Katheder aus auf eine so direkt-indirekte Charakterisierung des Propheten Mohammed gut hätte verzichten können, so hat der Professor Ratzinger auf dem Stuhl Petri doch nur getreulich das in der europäischen und christlichen Geistesgeschichte selbstverständliche Recht des Zitierens ausgeübt. Noch dazu in einer Universität, in der die Freiheit des Geistes gegenüber staatlicher oder kirchlich-religiöser Einschränkung garantiert sein muss. In »westlichen« Universitäten dürfen Religionsstifter beschrieben und bewertet werden, von wem auch immer.
Mit den Klärungen hatte sich Benedikt den bevorstehenden Weg in die Türkei Ende November zum Ökumenischen Patriarchen freigekauft und zugleich den Dialog mit den Muslimen gerettet.
Anfragen für den wirklichen Dialog
Denn für einen wirklichen Dialog bleibt die Anfrage Benedikts, ob der Gott des Propheten Mohammed ein Gott der Gewalt ist oder nicht, ob er ein Gott des »Logos« ist, dem die Vernunft des Menschen entsprechen kann, oder nicht. Das wollen alle wissen, die sich heute vom Islam bedroht fühlen.
Dazu war in der Vorlesung noch ein weiterer päpstlicher, christlicher Befund »versteckt«. Der Papst zitierte wiederum Gelehrte und einen Muslim, der »so weit gehe zu erklären, dass Gott auch nicht durch sein eigenes Wort gehalten sei und dass nichts ihn dazu verpflichte, uns die Wahrheit zu offenbaren; wenn er es wollte, müsse der Mensch auch Götzendienst treiben«. Das wäre eben ein Gott, der seine Anhänger auch in einen »Heiligen Krieg« (Djihād) schicken könnte. »Hier tut sich
ein Scheideweg im Verständnis Gottes und so in der konkreten Verwirklichung von Religion auf«, sagte Benedikt hellsichtig, »der uns heute ganz unmittelbar herausfordert.« Auch darauf müsse eine muslimische Theologie antworten.
Ganz nebenbei bemerkte der Professor Ratzinger, dass die friedliche Sure »Kein Zwang in Glaubenssachen« aus der Zeit stamme, »in der Mohammed selbst noch machtlos und bedroht war«, die späteren jedoch vom »Heiligen Krieg« wohl von einem selbstbewussteren, mächtigen Mohammed, es also innerhalb des Koran eine Entwicklung gebe, so wie auch die Bibel im Lauf der Jahrhunderte und Jahrzehnte sich zusammengefügt habe. Auch dies ist keine unanständige Bemerkung, sondern naheliegend, wenn menschliche Vernunft sich mit Religion beschäftigt, wie im Christentum geschehen.
Der problematische Dialog fing also erst an.
Kapitel 22
Der Dialog beginnt - Der Brief der 38
Einen Monat nach der Regensburger Vorlesung, sechs Wochen vor dem geplanten Besuch Benedikts in der Türkei nehmen 38 muslimische Autoritäten aus aller Welt, Religionsführer und Theologen von herausragender Stellung und intellektuellem Prestige, sowohl der Sunniten als auch der Schiiten, in einem offenen Brief an Papst Benedikt XVI. dessen Einladung zum Dialog auf und unterbreiten sachliche Vorschläge für Gespräche zwischen der katholischen Kirche und der Welt des Islam.
Mit dem auch im Internet zugänglichen Brief der 38 Muslimführer, der am 15. Oktober 2006 in dem in Los Angeles erscheinenden »Islamica Magazine« veröffentlicht wird, zeigt sich etwas Neues im Verhältnis zwischen Kirche und Moschee - im Gegensatz zu den bisherigen bloßen Protesten: Erfolg versprechend und hoffnungsvoll, ein ernsthafter und offener Dialog auch über kontroverse Fragen.
Mit Rang und Namen
Die muslimische Seite tritt auf einer Ebene auf, wie sie bisher nie erreicht wurde. Dafür spricht der Rang der Unterzeichner des sieben Seiten umfassenden Dokuments. Es sind unter anderen die
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