Zwischen Rom und Mekka
In einer Welt, die von Relativismus geprägt ist und die allzu häufig die Transzendenz der Universalität der Religion ausschließt, brauchen wir unbedingt einen authentischen Dialog zwischen den Religionen und Kulturen, einen Dialog, der uns helfen kann, alle Spannungen in einem Geist fruchtbaren Verständnisses zu überwinden.« Deshalb sei es »notwendig, dass Christen und Muslime in der Treue zu ihren jeweiligen religiösen Traditionen zusammenarbeiten, um jede Form der Intoleranz zu vermeiden und sich jeder Manifestation von Gewalt zu widersetzen«. Es sei weiterhin notwendig, wandte sich der Papst direkt an die von den Botschaftern vertretenen Staaten, »dass wir, religiöse Führer und politisch Verantwortliche, die Völker in diesem Sinn führen und sie dazu ermuntern«. Daran dürften auch die Erfahrungen einer wechselvollen Geschichte, »nicht weniger Differenzen und Feindschaften«, nichts ändern. Für die christlichen Gemeinden in den mehrheitlich muslimischen Ländern forderte Benedikt »die fundamentalen Freiheiten und im Besonderen die Religionsfreiheit«.
Zahlreiche arabische Sender übertrugen das Treffen und die Ansprache Benedikts direkt oder in langen Zusammenfassungen.
Die Organisation der Islamischen Konferenz (OIK) verlangte jedoch noch mehr. Nach Berichten italienischer Zeitungen (vom 27. September) hätten die OIK-Außenminister anlässlich der Vollversammlung der Vereinten Nationen in New York sich noch immer nicht mit den bisherigen Klarstellungen und Hinweisen auf Missverständnisse begnügt und eine ausdrückliche Entschuldigung des Papstes gefordert. Die Organisation hatte schon in einer ersten Reaktion am 15. September von einer »Verleumdungskampagne des Papstes« gesprochen.
Die endgültige Fassung der Rede von Regensburg
Währenddessen stellte Benedikt die endgültige Fassung seiner Rede her, wie er sie gehalten zu haben wünschte, Anmerkungen, wie bereits damals angekündigt, und leichte Textveränderungen eingeschlossen. Am 10. Oktober wurde sie als die allein gültige vom Presseamt veröffentlicht (siehe Seite 177-190). Dabei wurde vor allem der wissenschaftliche Apparat in 13 Fußnoten nachgeliefert.
Von dem »Schlechten und Inhumanen« in dem Zitat »Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, dass er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten«, hatte sich der Papst bereits fünfmal distanziert. Nun hieß es in Fußnote 3:
»Dieses Zitat ist in der muslimischen Welt leider als Ausdruck meiner eigenen Position aufgefasst worden und hat so begreiflicherweise Empörung hervorgerufen. Ich hoffe, dass der Leser meines Textes sofort erkennen kann, dass dieser Satz nicht meine eigene Haltung dem Koran gegenüber ausdrückt, dem gegenüber ich die Ehrfurcht empfinde, die dem heiligen Buch einer großen Religion gebührt. Bei der Zitation des Texts von Kaiser Manuel II. ging es mir einzig darum, auf den wesentlichen Zusammenhang zwischen Glaube und Vernunft hinzuführen.
In diesem Punkt stimme ich Manuel zu, ohne mir deshalb seine Polemik zuzueignen.«
Außerdem verstärkte der Papst in kleinen, den Sinn erweiternden Textänderungen eine Distanz zu den Worten des Anstoßes:
Im ursprünglichen schriftlichen Text des vatikanischen Presseamtes - der jedoch nach alter Übereinkunft dem gesprochenen Wort nachgeordnet ist - hieß es von dem Kaiser: »[…] wendet er sich in erstaunlich schroffer Form an seinen Gesprächspartner«. Dem hatte Benedikt schon in Regensburg wiederholend und abschwächend, aus dem Stegreif mündlich hinzugefügt: »in uns überraschend schroffer Form«. Nun hieß es im endgültigen Text: »[…] wendet er sich in erstaunlich schroffer, für uns unannehmbar schroffer Form […]«.
Abgeschwächt wird der Eindruck, der Papst wolle sich mit der Unterscheidung eines frühen und späten Mohammed in die Exegese des Koran einmischen oder diese fordern; allerdings nimmt Benedikt Ergebnisse der Koranforschung auf. Der frühe Mohammed habe, als er »selbst noch machtlos und bedroht war«, in Sure 2,256 gelehrt: »Kein Zwang in Glaubenssachen.« In diesem Zusammenhang wird von Experten gesprochen.
13 Anmerkungen und fünf Textretuschen - nicht in veränderndem, sondern in verdeutlichendem Sinn - sollten das Unglück eines Zitats gleichsam ungeschehen machen. Das gelang nicht einmal dem Papst, selbst wenn er viele Male, jetzt zum sechsten Mal, eine Interpretation
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