Zwischen Rom und Mekka
traditionellen Geistes der Gastfreundschaft würdig ist«.
Laizistische Muslime
Bei der traditionellen Generalaudienz am Mittwoch (6. Dezember) zog Benedikt eine abschließende »glückliche« Bilanz seiner Reise in die Türkei. Er griff dabei noch einmal die Problematik der Türkei auf, eines von der Verfassung her »laizistischen« und zugleich mehrheitlich zu 98 Prozent von Muslimen geprägten Staates: »Es ist notwendig, einerseits die Wirklichkeit Gottes und die öffentliche Bedeutung des religiösen Glaubens wiederzuentdecken, andererseits sicherzustellen, dass der Ausdruck dieses Glaubens frei sei, bar jeder fundamentalistischen Verirrung und fähig, jede Form von Gewalt zurückzuweisen.« Außerdem müsse gewahrt werden, dass »die Unterscheidung zwischen der bürgerlichen und religiösen Sphäre einen Wert darstellt und der Staat dem Bürger und den religiösen Gemeinschaften
die effektive Freiheit der Glaubensausübung garantiert«.
Benedikt berichtete, es habe ihm die göttliche Vorsehung im Rahmen des interreligiösen Dialogs ermöglicht, fast am Ende des Besuches eine Geste zu vollbringen, die ursprünglich nicht geplant war: die Visite in der berühmten Blauen Moschee von Istanbul. »Dort habe ich mich«, so heißt es wörtlich, »in einigen Minuten der Sammlung an den einen Herrn des Himmels und der Herde gewandt, den barmherzigen Vater der gesamten Menschheit. Mögen alle Gläubigen sich als seine Geschöpfe anerkennen und Zeugnis wahrer Brüderschaft geben!«
Kapitel 24
Der Dialog geht weiter - Islam und Moderne
Nach dem Auswärtssieg in der Türkei hatte sich Benedikt gefangen.
Es ging nicht nur um den Islam, war die neue Einsicht, sondern um alle Religionen. Nicht nur um einen zu vermeidenden Konflikt zwischen zwei Religionen, sondern um eine Auseinandersetzung mit der Gegenkultur von Gewalt und Vernichtung, wo immer sie auftaucht. In seiner traditionellen Ansprache zum Jahresende an die Mitglieder der Römischen Kurie am 22. Dezember 2006 äußerte Benedikt seine Sorge über einen möglichen Zusammenstoß zwischen Kulturen und Religionen als »eine Gefahr, die nach wie vor drohend auf diesem Moment unserer Geschichte lastet«.
In dieser als Jahresbilanz angelegten Rede nimmt der Papst seine vier Apostolischen Reisen nach Polen, ins spanische Valencia, nach Bayern und in die Türkei als Ausgangspunkt für weltpolitische und geistesgeschichtliche Analysen und Mahnungen. Mit bewegenden Worten berichtet der Deutsche Joseph Ratzinger, sichtlich selbst bewegt in der Erinnerung, dass er bei seiner Rede im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, dem Symbol jeglicher Unkultur, den plötzlich aus den Wolken aufscheinenden Regenbogen als himmlisches Zeichen der Tröstung und Versöhnung empfunden habe, während, so wörtlich, »ich vor dem Grauen dieses Ortes wie Hiob zu Gott aufschrie, geschüttelt von dem Schrecken seiner offensichtlichen Abwesenheit«.
Im Dialog der Religionen sei die größte Gefahr in der westlichen Welt, Gott zu vergessen. Doch die Erkenntniskraft des
Menschen, die seit der Aufklärung des 18. Jahrhunderts »unvorstellbare Erfolge« hervorgebracht habe, dürfe sich nicht in sich selbst verschließen, sondern müsse sich Gott als der »schöpferischen Urvernunft« öffnen. Eine gänzlich säkularisierte Vernunft sei nicht zum Dialog mit anderen Kulturen und Religionen fähig, warnte Benedikt. Wörtlich: »Die bloß säkulare Vernunft ist nicht imstande, in einen wirklichen Dialog mit den Religionen zu treten. Bleibt sie der Gottesfrage gegenüber verschlossen, so führt dies zum Zusammenstoß der Kulturen.« Auf die durch seine Vorlesung ausgelösten Reaktionen in der islamischen Welt ging der Papst nicht mehr direkt ein. Es hieß lediglich: »Der Besuch in der Türkei gab mir die Gelegenheit, die Ehrfurcht vor der islamischen Religion auch öffentlich darzustellen.«
Die muslimische Welt vor der Aufklärung
Indirekt wiederholte Benedikt XVI. jedoch seine Anfrage von Regensburg, wie sich die Botschaft des Propheten Mohammed zu Gewalt und moderner Welt verhalte, als er für den Dialog mit dem Islam erklärte:
»Die muslimische Welt befindet sich heute mit großer Dringlichkeit vor einer ähnlichen Aufgabe, wie sie sich den Christen seit der Zeit der Aufklärung stellte und auf die das Zweite Vatikanische Konzil [1962 bis 1965] als Frucht einer langen, mühsamen Suche konkrete Lösungen für die katholische Kirche gefunden hat.«
Dabei müssten einerseits die »Diktatur der
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