Zwischen Rom und Mekka
Grundzüge moderner staatlicher Neutralität gegenüber der Religion, mit der es in islamischen Gesellschaften hapert. Dadurch solle, so Benedikt weiter, sichergestellt werden, dass die Religionen ihre Aufgaben in der Welt erfüllen und ihre historischen und kulturellen Unterschiede leben, »ohne zusammenzustoßen, sondern um sich gegenseitig zu achten«. Um Allahs willen kein Clash!
Aber mit klugen Worten werden noch nicht die Reibungen zwischen den Religionen beseitigt. Darüber belehrte sogleich der »Religionsminister« Bardakoglu. Allen päpstlichen Korrekturen und Freundlichkeiten zum Trotz erklärte dieser kühl, religiöse Führer sollten nicht versuchen, »die Überlegenheit ihres eigenen Glaubens beweisen zu wollen, und nicht ihre Zeit mit theologischen Diskussionen verlieren«. Bardakoglu beklagte vielmehr die »Islamophobie«, die hysterische Angst in der Welt vor allen Muslimen. Denn, so der Chef der Religionsbehörde in Ankara, die Muslime seien unschuldig und friedliebende Leute, die auch die Vernunft hochhielten. Ende der Diskussion. Aber die Papstvisite sei »ein positiver Schritt«, so Bardakoglu, einer der ersten heftigsten Kritiker nach Regensburg. Immerhin.
Beim Wort nehmen
Das hörte der Papst nicht ungern. Denn damit legte sich der Verwalter der Scharia, des muslimischen Gesellschaftsgesetzes, in einem nach der offiziellen Verfassung laizistischen Staat fest. Wenn Bardakoglu eindringlich versicherte, Muslime seien friedliche Leute und Mohammeds Botschaft voll Sanftmut und Güte, Gewalt habe also gar nichts mit islamischer Religion zu tun, musste man ihn nur beim Wort nehmen. Genau auf solche Versicherungen war die Aufforderung von Regensburg gezielt.
Jetzt mussten diesen Beteuerungen nur noch Taten oder Nicht-Taten folgen. Das klare Wort des Minister-Muftis konnte bei Gelegenheit aufgebrachte Massen zwischen Marokko und Indonesien an die Friedensbekundungen ihrer religiösen Führer im richtigen Verständnis des Propheten Mohammed mahnen. Ein guter Muslim sein heißt, ein friedlicher Muslim sein; das war die Sure von Ankara und die Entsprechung päpstlicher Worte: »Die Ermordung Unschuldiger im Namen Gottes ist ein Frevel gegen Gott und gegen die Menschenwürde.«
Am Donnerstagnachmittag besuchte Benedikt die Hagia Sophia und die Blaue Moschee. Beide Visiten wurden von der türkischen Regierung und ihrer Religionsbehörde als wichtige, hochsymbolische Gesten des Papstes verstanden und als Bereitschaft, das Gespräch zwischen Christen und Muslimen im Geist des gegenseitigen Respekts und Verständnisses fortzuführen, ohne die Gräben der Vergangenheit und Kulturunterschiede aufzureißen.
Hagia Sophia und Blaue Moschee
Die Hagia Sophia (»Heilige Weisheit«), von dem oströmischen byzantinischen Kaiser Justinian im 7. Jahrhundert erbaut, war einst die prächtigste Kirche der Christenheit. Schon 1204 von päpstlichen Kreuzfahrern aus dem Abendland barbarisch geplündert, wurde sie nach der Eroberung Konstantinopels durch die muslimischen Ottomanen (1453) in eine Moschee umgewandelt und dann auf Anordnung Atatürks in ein Museum (1935), das nicht mehr für den religiösen Kult bestimmt ist.
Die Blaue Moschee hingegen, die Hauptmoschee Istanbuls, der früheren Hauptstadt des einst wichtigsten muslimischen Reiches, des Osmanischen vom Schwarzen Meer bis Ägypten, ist hochgeehrtes Gebetshaus der Muslime. Mit dem Besuch beider Stätten drücke der Papst, so hieß es aus seiner Umgebung, sein Verständnis für die Wechselfälle der Geschichte und seine Offenheit in der Begegnung mit dem vom Propheten Mohammed gestifteten Glauben aus. Nicht mehr, nicht weniger. Das verrieten auch das Gesicht des Papstes und die verlegene Haltung
seiner Hände. Benedikt konnte nicht so souverän sein wie Johannes Paul II. in der Omaijaden-Moschee zu Damaskus im Mai 2001. Beifällig vermerkten die Medien, dass der Papst in der Hagia Sophia den musealen Charakter dieses wunderbaren Kunstbaus respektiert und nicht gebetet habe. Ebenso wurde anerkannt, dass Benedikt die Blaue Moschee als andächtiger Besucher und stiller Beter gewürdigt habe. Die Zahl der muslimischen Protestierer gegen den Papst war weiter zurückgegangen. Sie wurde von den türkischen Sicherheitskräften, die ihrerseits in Istanbul massive Präsenz demonstrierten, nur mehr mit einigen Hundert angegeben.
Vor seinem Abflug am Freitag sprach Benedikt den türkischen Autoritäten seinen Dank für das Gelingen des Besuches aus. Dem entsprachen auch die
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