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Zwischen Rom und Mekka

Titel: Zwischen Rom und Mekka Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz-Joachim Fischer
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Berichte und Kommentare türkischer Zeitungen. Damit hatte sich das negative Papstbild in der Türkei seit seiner Ankunft zum Positiven gewandelt. Ausschlaggebend dafür war, dass der Papst mehrfach seine »Achtung und Freundschaft für das liebe türkische Volk« beteuerte und immer wieder einen seiner Vorgänger, Johannes XXIII., zitierte: »Ich liebe die Türken.« Damit habe sich, so hieß es zum Abschluss, Benedikt »vom Theologen zum Diplomaten« gemausert.

Erleichterung über den glücklichen Ausgang
    Auf dem Rückflug nach Rom spürten Benedikt selbst und alle, die ihm nahe waren, erst einmal Erleichterung über den glücklichen Ausgang. Es war nichts passiert. Weder ein Anschlag noch eine Wort-Untat. Das war nicht selbstverständlich. Wie bei keiner päpstlichen Visite zuvor wurden die Drohungen gegen das Oberhaupt der katholischen Kirche todernst genommen, begleitete das Schreckgespenst eines Terroranschlags den Papst und seine Begleiter in der Hauptstadt Ankara, im idyllischen Ephesus und in der Moscheenmetropole Istanbul. Nie zuvor hatte man auch die päpstlichen Worte so unter die Lupe genommen. Der Theologieprofessor Joseph Ratzinger auf dem Stuhl Petri war allen Fallen ausgewichen. Nach Regensburg hatte er aus
der schmerzlichen Erfahrung einer gegen ihn gerichteten Kampagne die Lehre gezogen, die Möglichkeiten öffentlicher Darstellung und Präsentation populistisch zu seinen Gunsten einzusetzen. War er noch vor Kurzem den Muslimen ein Feind, so sprach er, wie seine klugen Vorgänger, nun seit Tagen von Achtung, Freundschaft und Liebe zum türkischen Volk unter dem Halbmond. Am Schluss schien es sogar, als hätte er ein wenig sein Herz in Istanbul verloren. Den Verstand nicht. Die Botschaft blieb klar.
    Der Papst gab nichts auf von seinen christlich-theologischen und katholisch-kirchenpolitischen Positionen im Verhältnis zum Islam. Weder türkisches Wohlwollen noch das muslimische Bekenntnis zum Gewaltverzicht musste der Papst erkaufen, auch nicht etwa durch ein »Nihil obstat« (»Nichts steht entgegen«), die kirchliche Unbedenklichkeitserklärung, gegenüber dem Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Unverändert bleibt die Position der römischen Kirchenführung.

Von asiatischer Kultur geprägt
    Die vatikanische Diplomatie, wie sie etwa Kardinalsstaatssekretär Bertone vertritt, befürwortet alles, was die Türkei auf einen europäischen Weg bringt. Das päpstliche Urteil, das schon der Kardinal Ratzinger aussprach, entscheidet nach den Grundtatsachen: Land und Volk der Türken sind von asiatischer Kultur geprägt, die nicht durch die griechische Weisheit und das römische Rechtsbewusstsein, nicht durch europäische Vernünftigkeit und die Aufklärung geläutert wurde. Die geografische Aufteilung der Türkei, zu 97 Prozent auf Asien und zu drei auf Europa, scheint dem zu entsprechen. Dass zudem die heute 72 Millionen Türken (mit steigender Tendenz) der Bevölkerungszahl von 15 kleinen Staaten der Europäischen Union, von Griechenland bis Malta, gleichkommen, stellt man im Vatikan nüchtern unter vielerlei Gesichtspunkten in Rechnung.
    Aber dem Weg der Türken nach Europa setzt niemand im Vatikan ein Hindernis entgegen. Allerdings stehen da Streckenposten. Zum Beispiel der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel,
Bartholomäus, der Ehrenprimas der etwa 150 Millionen orthodoxen Christen, der aus historischen Gründen als Grieche in Istanbul residiert, nicht ohne Behinderungen für sich und seine kleine Gemeinde. Papst und Patriarch erinnerten ausdrücklich im Hinblick auf die EU-Verhandlungen in einer gemeinsamen Erklärung an »die unveräußerlichen Rechte der menschlichen Person, insbesondere die Religionsfreiheit, die der Beweis und Garant des Respekts vor jeder anderen Freiheit ist«. Sie forderten weiter, dass »die Minderheiten, ihre kulturellen Traditionen und ihre religiösen Besonderheiten geschützt werden sollten«. Davon und von anderem können Europäer im Dialog mit dem Islam nicht absehen.
    Am Sonntag darauf (3. Dezember 2006) sprach Benedikt von seiner Reise in die Türkei als einer »unvergesslichen geistlichen und seelsorglichen Erfahrung, aus der, wie ich hoffe, Gutes erwachse […] für einen nützlichen Dialog mit den gläubigen Muslimen«. Vor Zehntausenden von Pilgern und Besuchern aus aller Welt auf dem Petersplatz in Rom dankte der Papst auch »den türkischen Autoritäten und dem befreundeten türkischen Volk, das ihm eine Aufnahme bereitet habe, die seines

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