Zwischen Tod und Ewigkeit
und angewärmte Luft. Der Reif, der auf dem nackten Körper des Mädchens lag, verschwand allmählich. Das totenbleiche Gesicht nahm Farbe an, ebenso der blasse, schlanke Körper in der Wanne.
»Es sieht gut aus«, murmelte Dr. Keller zuversichtlich.
Inzwischen füllte sich das lauwarme Flüssigkeitsbad vor der noch immer verschlossenen Kammer. Die Automatik kam herbeigefahren und machte sich bereit, den Erweckten zu empfangen. Keller hatte festgestellt, daß immer nur einer der im Tiefschlaf Liegenden ins Leben zurückgeholt werden konnte. Der gesamte Vorgang würde etwa eine Stunde dauern.
»Das Bad enthält eine konzentrierte Nährlösung, die durch die Haut sofort in den Körper eindringt und die Organe aktiviert. In der kanadischen Anlage war es ähnlich, wenn sich einzelne Geräte auch von diesen hier unterschieden. Das Prinzip wird überall auf der Welt ähnlich gewesen sein.«
»Sie bewegte sich«, sagte Mark und trat vom Guckfenster zurück. »Jetzt kann es nicht mehr lange dauern.«
Langsam öffnete sich der Kammerdeckel. Ein Schwall kalter Luft fiel in den großen Saal und verteilte sich schnell. Mark schauderte unwillkürlich zusammen, als der nackte Körper des Mädchens mitsamt der Wanne in das Wasserbad glitt. Die Automatik sorgte dafür, daß der Kopf nicht unterging. Kaum merklich hob und senkte sich die zarte Brust des Mädchens, dessen Augen noch immer geschlossen blieben.
»Sie braucht länger als ich«, hauchte Mark, aber Keller achtete nicht auf ihn.
Gerald war zurückgekehrt. Er hatte Björn nach oben geschickt. Zusammen mit einigen Leuten aus Frisco beobachtete er das Geschehen an der Weckanlage.
Der Roboter gab seine Injektionen und löste die Fesseln.
Die Flüssigkeit war abgesaugt worden. Ein warmer Luftstrom trocknete den Körper, und dann schlug das Mädchen die Augen auf und starrte die Gesichter über sich ohne jedes Zeichen von Verstehen an.
»Es ist alles in Ordnung«, sagte Mark beruhigend und lächelte ihr zu. »Wir haben Sie aus dem Tiefschlaf geholt – das Leben hat Sie wieder ...«
Sie gab das Lächeln ein wenig unsicher zurück, dann bemerkte sie, daß sie nackt war. Für eine Sekunde nur zuckte ihre Hand, um die Blößen zu bedecken, aber dann lächelte sie schon wieder. Vorsichtig richtete sie sich auf.
»Danke«, murmelte sie kaum hörbar. »Es ist kalt.«
Mark rannte davon und kehrte Sekunden später mit seinem Bademantel zurück. Galant hielt er ihn Hilde Caroll hin, die mit Hilfe Kellers aus der Wanne stieg.
Sie schwankte, als sie einen Schritt gehen wollte, und Mark stützte sie.
»Es dauert ein paar Stunden, dann sind Sie frisch und munter wie früher«, sagte er und fügte hinzu: »Kommen Sie, ich bringe Sie in Ihr Zimmer. Es hört sich paradox an, aber nach einigen hundert Jahren Tiefschlaf braucht der Körper erst einmal Ruhe, um sich zu erholen.«
Willig ließ sie sich davonführen.
Gerald kam zu Dr. Keller.
»Sind Sie sicher, daß es kein Zufall war? Können wir sie alle aufwecken?«
»Ich denke, wir haben es geschafft. Konnten Sie draußen etwas finden?«
Gerald berichtete von ihrer Entdeckung. Er sprach die Überzeugung aus, daß ihr Fund ihnen viele Jahrzehnte natürlicher Weiterentwicklung ersparen könnte.
Keller teilte seine Meinung und leitete den nächsten Weckvorgang ein.
Es war Gerald gelungen, Funkkontakt zu weiteren Gruppen aufzunehmen. Es gab Überlebende in allen Teilen der Welt, aber nur wenige von ihnen hatten das Glück, Wissensgut der untergegangenen Zivilisation zu besitzen.
Am Oberlauf des Rio Grande, mehr als tausend Kilometer südöstlich von Monterey entfernt, lag El Paso. Mit der dort lebenden Gruppe unterhielt Gerald eine regelmäßige Verbindung. Täglich wurden Nachrichten ausgetauscht und Erfahrungen weitergegeben.
Vier Tage nach dem ersten Weckvorgang erhielt Gerald eine Nachricht von El Paso, die ihn beunruhigte. Zwar maß er ihr noch keine lebenswichtige Bedeutung bei, entschloß sich aber doch, den anderen Mitteilung davon zu machen. Zuvor holte er sich aus dem Archiv eine der alten Karten.
Keller war zur Oberfläche emporgegangen, um sich von einem Großteil seiner Leute zu verabschieden, die mit zwei Fahrzeugen nach San Francisco zurückfuhren. Er selbst blieb mit zehn anderen Wissenschaftlern zurück, versprach jedoch, in Kürze nachzukommen.
Im Restaurant saßen Mark, Björn und einige der geweckten Schläfer an zusammengerückten Tischen. Hilde Caroll stand auf, als sie ihn kommen sah.
»Fein,
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