Zwischen Tod und Ewigkeit
Mittelamerika. Sehen Sie sich die Karte an. Guatemala, Yucatán, dann durch Kolumbien nach Brasilien – das Amazonasgebiet. Dort hatte sich die ehemals fingerlange weiße Termite zu einem fliegenden Ungeheuer entwickelt. Viele Jahrhunderte gab der riesige Urwald Nahrung genug her. Wenn sie nun beginnen, nach Norden auszuwandern, so kann das nur bedeuten, daß die weißen Termiten es geschafft haben, den Dschungel des Amazonas abzufressen, oder daß ihre Zahl so gewaltig wurde, daß sie zum Zug nach Norden gezwungen werden.«
Sylvia war totenblaß geworden. Vielleicht begriff sie als einzige der Anwesenden so schnell, was ihnen allen vielleicht bevorstand.
»Warum ist El Paso beunruhigt?« fragte Mark. »Gibt es Anzeichen dafür, daß die Termiten sich stark vermehren?«
»Sie tauchen immer öfter auf. Noch vor fünf Jahren, so berichtete man mir, gab es sie nur in kleinen Gruppen oder gar nur vereinzelt. Jetzt wurden die ersten Schwärme beobachtet. Sie fliegen eine kurze Strecke und lassen sich dann nieder, um auf Jagd zu gehen. Nichts ist vor ihnen sicher.«
Eine ganze Weile sagte niemand etwas.
Weiße Termiten – entsann sich Mark – waren schon zu seiner Zeit eine Gefahr gewesen, wenn auch nur in einigen Teilen der Welt. Auch in Afrika hatte es sie gegeben, aber man wurde ihrer Herr, als sie die Zivilisation zu bedrohen begannen. Mit modernen Bekämpfungsmitteln rottete man sie aus. Anders in Südamerika, im Amazonasgebiet. Hier mußte die weiße Termite Zeit gehabt haben, sich weiterzuentwickeln. Das Gift, das die Menschheit vernichtete, gelangte nur in relativ kleinen Dosen hierher und gestattete die Anpassung. Selbst dann, als sich der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre verringerte, schadete diese erneute Umstellung der widerstandsfähigen Gattung nicht. Sie überlebte und gedieh besser als je zuvor. Sie hatte keine Gegner mehr, aber einen halben Erdteil voll Vegetation, die ihr niemand streitig machen konnte. Jahrtausende der Evolution wurden übersprungen. Aus der fingerlangen Termite wurde das fast ein Meter lange Monstrum mit den kräftigen Beißwerkzeugen, mit denen es einem Menschen in Sekundenschnelle den Kopf abschneiden konnte.
»Das ist furchtbar!« sagte Dr. Keller endlich. »Wenn sie niemand aufhält, werden sie bis San Francisco gelangen.«
Gerald lachte bitter.
»San Francisco? Lieber Dr. Keller, nicht nur bis hierher oder bis San Francisco! Sie werden ganz Nordamerika überschwemmen und jedes Leben auf diesem Kontinent ausrotten. Nichts mehr wird dann übrigbleiben. Und es wird ihnen auch irgendwie gelingen, den Ozean zu überqueren. In weiteren zehn Jahren haben sie die Welt erobert. Dann erst haben wir den endgültigen Weltuntergang, dann erst ...«
Kellers Gesicht zeigte plötzlich Entschlossenheit und Energie. Er beugte sich vor und sagte speziell zu Gerald:
»Versuchen Sie, möglichst ausführliche Berichte aus El Paso zu erhalten. Wie haben die Leute dort bisher die Termiten bekämpft?«
»Mit ihren Feuerwaffen. Sie bieten ein gutes Ziel, wenn sie angreifen, denn das geschieht meist auf dem Boden. Sie sind in der Luft äußerst ungeschickt und können sich kaum bewegen. Auf der Erde hingegen bewegen sie sich schnell und wendig. Zwei oder drei von ihnen genügen, um einen Menschen zu töten.«
Björn sagte:
»Hier innerhalb der Pyramide können sie uns nichts anhaben.«
Mark warf ihm einen strafenden Blick zu.
»Sie wollen hier den Rest Ihres Lebens verbringen, während draußen die Welt endgültig untergeht? Jetzt, da wir endlich einen neuen Anfang machen? Nein, das kann nicht Ihr Ernst sein, Björn.«
Der Norweger schwieg.
Sylvia wandte sich an Gerald:
»Sie haben doch Funkverbindung mit El Paso, nicht wahr? Wäre es möglich, daß ich mit einem Biologen oder einem anderen Wissenschaftler von dort sprechen kann? Ich benötige mehr Informationen. Vielleicht ist es sogar möglich, daß wir El Paso einen Besuch abstatten. Wir haben das Fahrzeug Dr. Kellers.«
»Fast anderthalbtausend Kilometer Wüste, Urwald und Gebirge.« Gerald schüttelte den Kopf. »Das können Sie vergessen, Sylvia. Es gibt keinen Weg nach El Paso. Ich kann Ihnen die Funkverbindung zur Verfügung stellen, und Sie können mit den Leuten dort sprechen, aber das ist alles.«
Dr. Keller hatte eine Weile schweigend auf seinem Platz gesessen und nur zugehört. Sein Gesicht war nachdenklich, als er schließlich sagte:
»Die ersten Berichte über weiße Riesentermiten müssen im zweiundzwanzigsten
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