Zwischen uns die Zeit (German Edition)
meinen Koffer hinter mir herziehend, aus der Haustür trete, stehen meine Eltern schon mit Emma beim Wagen, die ihnen gerade erzählt, welche Pläne sie und Justin für die Sommerferien haben.
» Bist du wirklich ganz sicher, dass wir dich nicht zum Flughafen bringen sollen?«, fragt Dad mich mit leicht angespanntem Lächeln. Heute ist er derjenige, dem meine Abreise zu schaffen macht.
» Dad, das hatten wir doch alles schon. Außerdem fährt Emma mich gerne.«
» Wir fahren dich auch gerne.«
» Ja, aber Emma hat keine Buchhandlung, die sie öffnen muss, und auch keinen Dienst im Krankenhaus.«
» Schon gut. Schon gut.« Er zaust mir durch die Haare, dann nimmt er mir den Koffer aus der Hand und verstaut ihn im Kofferraum des Saabs, bei dem Emma heute, weil so traumhaftes Wetter ist, das Verdeck heruntergelassen hat.
Ich verabschiede mich von Mom und Dad, drücke sie ein letztes Mal fest an mich und verspreche, mich regelmäßig zu melden. Als ich die Beifahrertür öffne, sehe ich auf dem Lederpolster ein kleines türkisfarbenes Päckchen liegen. » Was ist das?«, frage ich und steige ein.
» Mach es auf«, antwortet Emma, während sie rückwärts aus der Einfahrt fährt und wie eine Verrückte hupt.
Das Päckchen in der Hand haltend, winke ich meinen Eltern zu und mache mich daran, das Papier aufzureißen, sobald wir außer Sichtweite sind. Es enthält ein schwarzes Lederetui, das ich behutsam aufklappe. » Emma! Oh Gott, die ist wunderschön! Aber… ich habe doch schon eine.«
» Du hast eine Sportuhr zum Laufen«, schnaubt Emma. » Das hier ist eine elegante Damenuhr, die du als Schmuckstück tragen kannst, wenn du zum Beispiel einen heißen Typen kennenlernst, der dich zum Abendessen ausführen möchte.«
Ich bin selbst überrascht darüber, dass ich bei der Vorstellung, mit einem anderen als Bennett essen zu gehen, lächeln kann. » Cool. Dann weiß ich immer, wann ich nach Hause muss, bevor sich meine Kutsche wieder in einen Kürbis zurückverwandelt.« Andächtig streiche ich mit den Fingerspitzen über das Glas und das schmale schwarze Lederarmband. » Im Ernst, Em. Die ist unglaublich schön. Aber du hättest mir doch nichts schenken müssen.«
» Ich wollte, dass du weißt, dass ich immer hier auf dich warte und die Minuten zähle, bis du wieder zurückkommst.« Sie legt eine Hand auf ihr Herz und sieht mich mit übertrieben schmachtendem Blick an. » Darling.«
Lachend befestige ich die Uhr an meinem Handgelenk. » Vielen lieben Dank, Em. Du bist echt die Beste.« Ich werfe ihr einen Kuss zu.
» Ich kann es immer noch nicht fassen, dass du das Pearl-Jam-Konzert verpassen wirst«, seufzt sie kopfschüttelnd. » Wir warten jetzt schon über ein Jahr drauf.«
» Das wird bestimmt auch ohne mich ein toller Abend. Schließlich gehst du mit Justin hin.« Als ich seinen Namen ausspreche, versetzt es mir einen reumütigen Stich. Obwohl ich das, was Bennett und ich für Emma getan haben, jederzeit wieder tun würde, fühlt es sich so an, als wäre ich schuld daran, dass Justins Gefühle für sie nicht so stark sind, wie sie es sein könnten. Ich werfe Emma einen verstohlenen Seitenblick zu. Hoffentlich macht es irgendwann während dieses Sommers bei Justin wieder Klick und er verliebt sich noch einmal genauso in sie, wie er es in einem anderen Leben getan hat.
» Stell dir vor, Justin findet, dass Eddie Vedder ein Langweiler ist. Das hat er wirklich original so gesagt. ›Langweiler‹. Dabei ist der Mann ein absolutes Genie!« Emma beugt sich zur Anlage und schaltet sie an. » Und hier der Beweis.«
Sie dreht die Lautstärke voll auf und das Gitarrenintro von » Corduroy« schallt aus den Boxen. Wie immer grölen wir sofort in den schrägsten Tönen mit und kümmern uns nicht um die Blicke, die uns die Leute in den Wagen auf der Nachbarspur zuwerfen. Plötzlich verstumme ich. Emma trommelt weiter mit den Handflächen aufs Lenkrad und singt aus voller Kehle mit, aber ich lausche auf den Refrain:
Everything has chains … Absolutely nothing’s changed.
Hat sich tatsächlich nichts geändert? Oberflächlich betrachtet mag es so aussehen, als wäre er in mein Leben getreten und wieder daraus verschwunden, ohne irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Aber das stimmt nicht. Die Spuren sind überall. In mir. Und so schmerzhaft es ist, jetzt ohne ihn weiterleben zu müssen, würde ich mich doch jederzeit wieder dafür entscheiden, Bennett Cooper kennenzulernen. Selbst wenn ich am Ende allein
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