Zwischen uns die Zeit (German Edition)
bin total durcheinander und frage mich, wie das überhaupt passieren konnte. » Das würde ich Emma nie antun, Justin. Und von dir hätte ich eigentlich dasselbe gedacht.«
» Ich… Keine Ahnung, was da eben in mich gefahren ist…«, stammelt er und lässt den Kopf hängen. » Es… es ist einfach so über mich gekommen.«
Plötzlich tut er mir leid. » Hey.« Ich stupse ihn sachte mit dem Fuß an, damit er mich anschaut. » Vergessen wir die ganze Sache einfach, okay? Es ist ja im Grunde nichts passiert. Und außerdem…«– ich lache nervös– » …weiß ich jetzt wenigstens, dass mich mein Gefühl nicht getäuscht hat. Bevor du mit Emma zusammengekommen bist, dachte ich nämlich eine Weile, du wärst in mich verliebt.«
Zum ersten Mal seit dem kleinen Vorfall von eben sieht Justin mir offen in die Augen. » Natürlich war ich in dich verliebt. Aber das war doch die ganze Zeit klar, oder?«
Ich starre ihn stumm an, weil ich nicht weiß, wie ich darauf reagieren soll.
» Als wir in der sechsten Klasse waren, sind wir mal bei euch zum Essen eingeladen gewesen. Deine und meine Eltern saßen danach im Wohnzimmer und haben Musik gehört und sich unterhalten und wir beide hingen bei dir im Zimmer rum, erinnerst du dich?«
Ich lächle, obwohl ich keinerlei Erinnerung an den Abend habe.
» Du hast die ganze Zeit davon geredet, dass du irgendeine Überraschung für mich hast, und als es dunkel wurde, meintest du, ich soll mich auf den Teppich legen, dann hast du das Licht ausgeschaltet und dich neben mich gelegt. Wir haben mindestens eine Stunde lang auf die kleinen fluoreszierenden Sterne geguckt, die du an der Decke kleben hattest, uns eigene Sternzeichen ausgedacht und herumgealbert und gelacht, bis wir keine Luft mehr bekommen haben. Du hast mir erzählt, dass du dir vor dem Einschlafen immer die Sterne anschaust und dir vorstellst, du wärst irgendwo anders auf der Welt und würdest in den Himmel schauen. Und dass du später mal Fotografin oder Journalistin werden willst, weil du dann die ganze Zeit in alle möglichen Ländern reisen könntest, und dass du eines Tages in Paris leben möchtest. In den Sommerferien wolltest du einen Französischkurs machen, damit du dann gleich nach dem Schulabschluss nach Frankreich ziehen kannst.«
» Das klingt auf jeden Fall nach etwas, das ich gesagt haben könnte.« Ich fasse es nicht, dass er sich so detailliert an etwas erinnert, wovon ich geredet habe, als wir elf waren. Justin erzählt so lebendig davon, als wäre dieser Abend in seiner Erinnerung noch ganz frisch, während ich ihn nur noch ganz verschwommen im Gedächtnis habe. » Warum weißt du das alles noch so genau?«
Er unterdrückt ein Lachen. » Weil das der Abend war, an dem ich mich in dich verliebt habe und dein richtiger Freund werden wollte.« Er zuckt lächelnd die Achseln. » Tja, so war das.«
» Warum hast du mir das nie gesagt?«
» Ich wollte nichts kaputt machen. Ich habe mir gedacht, wenn es passieren soll, wird es irgendwann schon passieren.«
» Aber… was ist mit Emma?«
Justin lächelt. » Emma ist toll. Sie ist wahnsinnig schön und witzig und ein ganz besonderer Mensch. Aber sie ist nun mal nicht du. Sie ist nicht meine beste Freundin.«
» Das ist unfair ihr gegenüber. Du hast Emma erst in den letzten Monaten richtig kennengelernt. Mich kennst du schon dein ganzes Leben. Gib ihr eine Chance.«
» Das tue ich ja auch. Aber irgendwie kommt es mir immer noch unrealistisch vor, dass wir jetzt wirklich ein Paar sind. Als ich sie das erste Mal gefragt habe, ob sie Lust hat, mal mit mir Kaffee trinken zu gehen, hätte ich niemals damit gerechnet, dass sie Ja sagt. Wenn ich ehrlich bin… Vielleicht habe ich sie auch nur gefragt, weil ich insgeheim gehofft habe, dass du dann vielleicht eifersüchtig wirst. Aber dann war ich total geplättet, als sie sich wirklich mit mir verabredet hat, und auf einmal… keine Ahnung… waren wir zusammen.«
» Sie ist wirklich in dich verliebt, Justin.« Und bis zu diesem Moment habe ich geglaubt, er wäre es auch. Ich denke an den Tag im Krankenhaus zurück, an dem er mir von seinem Date mit Emma erzählt hat, wie toll er sich mit ihr unterhalten und wie sehr sie ihn überrascht hätte. Ich sehe noch genau vor mir, wie er sich über die bewusstlose Emma beugt, ihr zärtlich über die Haare streicht und nur Augen für sie hat.
Wie kann ich mich so geirrt haben?
Aber dann fällt mir ein, dass es diesen Tag im Krankenhaus in seiner Erinnerung gar
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