Zwischen uns die Zeit (German Edition)
und…« Er wird vom Gong unterbrochen. » Oh, wir müssen in den Unterricht. Hey, wir sehen uns nachher in der Cafeteria, okay?«
Wir winken uns zu und gehen in unterschiedliche Richtungen davon, als mir plötzlich noch etwas einfällt. » Bennett«, rufe ich ihm hinterher.
Er dreht sich um. » Ja?«
» Du hast deine Jeans und dein T-Shirt bei mir vergessen.« Das klingt viel zweideutiger, als ich es beabsichtigt hatte, und ich sehe mich schnell verlegen um, ob auch niemand etwas gehört hat.
Bennett grinst. » Stimmt. Ich schätze, das heißt, dass ich bald mal bei dir vorbeikommen muss, um sie abzuholen.«
***
Nach Spanisch bittet Señor Argotta mich, noch kurz zu bleiben, und so lasse ich Bennett widerstrebend allein in die Cafeteria vorgehen. Das Gespräch dauert allerdings nicht lang – Argotta will mir bloß sein Mitgefühl wegen des Überfalls aussprechen und wissen, ob es mir gut geht. Als ich fünf Minuten später in die Cafeteria eile, sitzt Bennett schon mit Emma und Danielle an unserem Stammtisch und scheint sich angeregt mit ihnen zu unterhalten.
» Hey, Anna«, begrüßt Emma mich, als ich mein Tablett auf den Tisch stelle. » Wir fragen Bennett gerade aus, um ihn ein bisschen besser kennenzulernen. Wusstest du, dass er sich nicht für Sport interessiert?« Sie wirft mir einen bedeutungsvollen Blick zu, bevor sie von ihrem Sandwich abbeißt.
» Na ja, das stimmt so nicht ganz«, widerspricht Bennett. » Ich habe euch erzählt, dass ich Skateboard fahre, was immerhin auch ein Sport ist.«
» Ja, okay, aber eigentlich ist es mehr eine Fortbewegungsart, oder? Ich meinte eher normale Sportarten wie Football, Basketball, Baseball, Lacrosse oder Hockey. Die Art von Sport.«
» Also Mannschaftssportarten?«
» Nein, nicht unbedingt. Schwimmen oder Tennisspielen sind ja auch…«
» …Sportarten, genau wie Skateboardfahren«, unterbreche ich sie. » Darin werden sogar Weltmeisterschaften ausgetragen, also kann man durchaus von einem ernst zu nehmenden Sport reden.« Ich werfe Emma einen warnenden Blick zu und erinnere sie stumm an ihr Versprechen von heute Morgen, mir eine gute Freundin zu sein und mich nicht in Verlegenheit zu bringen.
» Ja, okay, das ist ein Argument«, räumt sie ein und wendet sich dann wieder an Bennet. » Und was hast du sonst noch für Hobbys?«
Jetzt lässt sie Skateboardfahren also immerhin als Hobby gelten. Ich sehe Bennett an– den Jungen, der keinen Sportverein und kein Hobby braucht, weil er etwas kann, was viel, viel besser ist– und spüre, dass ihm die Fragen ein bisschen viel werden. » Er reist gerne«, antworte ich deswegen an seiner Stelle. » Er war praktisch schon überall auf der Welt, stimmt’s?«
Emma und Danielle sehen von mir zu Bennett, der mit den Achseln zuckt, als wäre das eigentlich nicht der Rede wert. Und dann lehne ich mich in meinem Stuhl zurück und verbringe den Rest der Mittagspause damit, zuzuhören, wie die drei sich aufgeregt über die Länder und Städte unterhalten, die sie schon bereist haben. Ich habe schon öfter bei solchen Unterhaltungen dabeigesessen, aber heute fühle ich mich zum ersten Mal nicht wie eine Außenseiterin. Ich höre interessiert zu, versuche mir die spannendsten Reiseziele zu merken und frage mich in stiller Vorfreude, wohin Bennett mich wohl das nächste Mal mitnehmen wird.
15
Emma hält vor der Buchhandlung, um mich abzusetzen. Als ich aussteige und mich verabschieden will, reckt sie den Kopf und späht zum Plattenladen rüber.
Okay, ein bisschen gewöhnungsbedürftig ist das mit ihr und Justin schon.
» Gehst du noch rüber?«, frage ich.
» Nein, heute nicht. Ich will mich ein bisschen rarmachen und nicht jedes Mal bei ihm vorbeischauen, wenn ich dich nach der Schule zum Laden fahre. Er soll ruhig ein bisschen Sehnsucht nach mir haben.« Sie zwinkert mir zu.
Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass Justin auf solche Spielchen steht, andererseits– was weiß ich schon? Ich habe ja noch nicht einmal mitbekommen, dass er sich für meine beste Freundin interessiert, also kenne ich ihn vielleicht doch nicht so gut, wie ich immer dachte. » Okay. Dann bis morgen.«
» Bis dann, Darling.« Sie winkt mir zum Abschied zu und rast los.
Die Glöckchen über der Tür begrüßen mich mit ihrem üblichen fröhlichen Klingeln, als ich den Laden betrete, aber heute läuft es mir dabei kalt den Rücken hinunter. Schade. Bisher ist dieses Geräusch für mich immer nur mit glücklichen Erinnerungen verbunden
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