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Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)

Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)

Titel: Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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drückte. Gleichzeitig spürte sie eine Welle der Erregung in sich aufsteigen, die alle anderen Gefühle überwog.
    Langsam, ganz langsam führte er ihre Fingerspitze an der Narbe entlang, ohne seinen Griff zu lockern. Es war als brutale Demonstration gedacht, als eine Art Strafe, doch ihr kam es wie eine Liebkosung vor, mit dem Finger über die schaumbedeckte Narbe zu fahren. Ein Erlebnis, das lange verschüttete Wünsche und Sehnsüchte weckte.
    Eingeklemmt zwischen seinen langen muskulösen Beinen, eingehüllt in seinen aufregenden Duft, war Chloe ihren Empfindungen hilflos ausgeliefert.
    „Und das nennen Sie Charakter?“, fragte er zynisch, als ihre Hand sein Kinn erreichte. Sie spürte, wie sich seine Haut beim Sprechen spannte.
    Ein Klecks Rasierschaum tropfte von ihren Fingern. Anstatt sie loszulassen, zerrte Declan ihre Hand an sein Bein, dorthin, wo knapp unterhalb seiner Hüfte die andere Narbe begann.
    „Und was ist damit?“
    Verstört blickte sie auf ihre Hand herab, die nun auf seinem kräftigen Oberschenkel ruhte. Ihr Atem beschleunigte sich.
    Declans Zorn und seine Bitterkeit verwirrten sie, doch stärker noch war die sexuelle Anziehungskraft, auf die sie mit jeder Faser ihres Körpers reagierte.
    Unter der unnachgiebigen Führung seiner Hand glitten ihre Finger über die harte vernarbte Haut unter dem weichen Jeansstoff.
    „Wie würden Sie das nennen, Chloe?“ Nicht mehr hart und zynisch, sondern nur noch müde klang seine Stimme jetzt. Zum ersten Mal bekam Chloe eine Vorstellung davon, wie schwer es ihm fallen musste, jeden Tag der Welt die Stirn zu bieten.
    Während der vergangenen Wochen hatte sie die Stärke und das Durchhaltevermögen bewundert, mit denen Declan sein neues Leben zu meistern versuchte. Das Selbstvertrauen, mit dem er ohne innezuhalten über die Schwelle der Terrassentür trat und zielstrebig den Weg zum Pool einschlug. Seinen Mut, trotz seiner Einschränkungen weiterhin einen Weltkonzern zu leiten.
    Und wie er daneben immer noch Zeit für ein humorvolles Geplänkel mit seiner Haushälterin fand.
    Das leise Zittern seiner Muskeln und der schmerzhaft feste Druck seiner Hand verrieten ihr nun, wie mühsam erkämpft seine Selbstbeherrschung war.
    Eine Entdeckung, die den schützenden Panzer, der ihr Herz umgab, noch weiter einstürzen ließ. Bald würde sie diesem Mann nichts mehr entgegenzusetzen haben.
    „Also, Chloe?“ Seine raue dunkle Stimme ging ihr durch und durch. „Verleiht mir die Narbe an meinem Bein auch Charakter? Soll ich dankbar sein für den Unfall, der mich erblinden ließ?“
    „Es klingt vielleicht banal, aber unzähligen Menschen auf dieser Welt geht es schlechter als Ihnen“, erwiderte sie. „Sie sind gesund. Sie können laufen. Sie sind beruflich erfolgreich. Und Sie haben genug Geld, um komfortabel zu leben. Millionen andere haben nicht dieses Glück.“
    Sie konnte ein Lied davon singen. Ihr Stiefvater Ted war einst ein aktiver vitaler Mann gewesen, den so leicht nichts umwerfen konnte. Jetzt war er ein trauernder Witwer, der sich in einer Rehaklinik mühsam von den Folgen seines Schlaganfalls erholte, halbseitig gelähmt und kaum fähig, sich zu artikulieren.
    Und Mark erst. Sein Tod mit zweiundzwanzig Jahren war unvorstellbar grausam gewesen.
    „Stimmt“, erwiderte er scharf. „Klingt wirklich banal.“
    „Tut mir leid.“ Aber es tat ihr nicht leid, dass sie die Wahrheit gesagt hatte. Nur dass Declan nicht bereit war, sich ihr zu stellen.
    Seine blinden Augen sprühten vor Zorn.
    „Können Sie sich vorstellen, wie wütend es mich macht, wenn mir jeder erzählt, ich solle die Sache positiv sehen? Dass ich noch Glück gehabt habe? Dass ich vielleicht, ganz eventuell, irgendwann wieder sehen kann?“
    „Nein“, sagte sie steif.
    „Nein. Wie könnten Sie auch.“
    Er sprang so plötzlich auf, dass sie stolpernd zurückwich. Anstatt ihre Hand loszulassen, presste er sie an ihre eigene glatte Wange.
    „Sie sind unversehrt. Ihr Leben hat sich nicht von einem Tag auf den anderen so drastisch verändert, dass alles, absolut alles, was früher selbstverständlich für Sie war, unendlich viel schwieriger, wenn nicht unmöglich geworden ist.“
    Seine Stimme war heiser vor Emotionen. „Sie müssen sich nicht mit Selbstvorwürfen herumquälen, weil Sie den Menschen, der sie am meisten brauchte, im Stich gelassen haben.“
    Er meint Adrian, dachte sie betroffen. Gern hätte sie ihm gesagt, dass sie wusste, was es hieß, sich für den Tod eines

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