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Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)

Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition)

Titel: Zwischen Vernunft und Sehnsucht (Julia) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie West
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beschweren. Da es sich bei Adrian jedoch um Declans Bruder handelte, hatte sie befürchtet, man würde ihr kündigen. Sie hätte auch zur Polizei gehen und ihn anzeigen können, aber er hatte sie ja nicht tätlich angegriffen.
    Sie war zu feige gewesen, etwas zu unternehmen. Wenn sie nicht geschwiegen hätte, könnte er vielleicht noch leben.
    Der Adrian, den sie erlebt hatte, war ein Einzelgänger gewesen. Weit weg von seinen Londoner Freunden, schien er nicht sonderlich daran interessiert zu sein, in Australien Anschluss zu finden. Sein Bruder hielt sich geschäftlich in China auf, und er lebte zurückgezogen in Carinya.
    War sie die Einzige, die mitbekommen hatte, wie er sich immer mehr in seine Wahnvorstellungen verstrickte? Vielleicht war es ein Fehler gewesen, abzureisen, als er an jenem Morgen den Bogen überspannt hatte.
    Nein. Sie bereute es, mit niemandem über sein Verhalten gesprochen zu haben, aber sie war nicht verantwortlich für Adrians kranke Fantasien. Als sie von Teds Schlaganfall erfahren hatte, war ohnehin alles andere unwichtig, und sie hatte sich nur noch um ihren geliebten Pflegevater gekümmert.
    Das Ganze war tragisch, aber es war nicht ihre Schuld.
    Nur dass es sich irgendwie anders anfühlte.
    Declan hielt sie immer noch an beiden Armen fest. Zögernd sah sie in sein finsteres Gesicht. Ob er sie hasste? Wenn er glaubte, sie habe seinen Bruder in den Tod getrieben, konnte Chloe es sogar verstehen.
    „Lass mich los“, sagte sie müde. „Du tust mir weh.“
    Er ließ die Hände sinken.
    „Ich würde dir gern erklären …“
    „Wie könnte ich dir auch nur ein Wort glauben? Du hattest wochenlang Zeit, mir die Wahrheit zu sagen, aber du hast geschwiegen.“ Er wandte sich ab, trat an die Balustrade und stützte sich mit beiden Händen darauf. Sein breiter Rücken hob sich dunkel vor den Lichtern der Großstadt ab. „Deine Erklärungen machen Adrian auch nicht wieder lebendig.“
    Die abgrundtiefe Verzweiflung in seiner Stimme ließ Chloe zögern. Sie wollte ihm nicht noch mehr Kummer bereiten, aber sie durfte auch nicht zulassen, dass er sie weiterhin für schuldig hielt.
    „Es war nicht so, wie du denkst.“
    Sein hartes Lachen zerriss die nächtliche Stille.
    „Hältst du mich für so dumm? Ich kenne Frauen wie dich.“
    Sie machte einen Schritt auf ihn zu. Ihr war klar, wie sehr er litt, aber sie musste diese Sache unbedingt richtigstellen. Denn noch immer hegte sie die leise Hoffnung, dass sie beide etwas ganz Besonderes verband.
    „Dein Bruder und ich hatten keine Beziehung.“
    Er warf den Kopf in den Nacken und sah zu den Sternen auf. „Soll das heißen, er hat gelogen?“, fragte er gequält.
    „Adrian hat dir … seine Version der Wahrheit erzählt“, erwiderte sie vorsichtig. Wie brachte man jemandem schonend bei, dass der geliebte Bruder, um den er trauerte, psychisch krank gewesen war? „Er hat irrtümlich angenommen …“
    „Nein“, unterbrach Declan sie scharf. „Erzähl mir nicht, er hätte euer Verhältnis missverstanden. Ich kenne das Foto, das er von dir gemacht hat. Es ist eindeutig.“
    Sie erschrak, als ihr aufging, welches Bild er meinte. Adrian war in aller Frühe in ihr Zimmer eingedrungen und hatte sie im Bett fotografiert, als sie noch gar nicht ganz wach war. An jenem Morgen war ihr endgültig klar geworden, dass es so nicht weitergehen konnte.
    „Das Foto vermittelt einen völlig falschen Eindruck.“
    „Ach ja? Dann hattet ihr also eine rein platonische Beziehung, wie nett. Und geküsst habt ihr euch auch nicht?“
    Sie schwieg betroffen. Nein, sie hatte Adrian nie geküsst. Aber er sie. Er hatte sie in der Küche eingekeilt und seinen Mund auf ihren gepresst. Sie hatte ihn weggeschoben und so getan, als wäre nichts gewesen. Ein Fehler, wie sie jetzt wusste. Hätte sie ihrer Empörung Ausdruck verliehen, hätte das seine vermeintliche Liebe vielleicht im Keim erstickt.
    „Und natürlich habt ihr auch keine Privatgespräche geführt, mein Bruder und du.“
    Sie sah Adrian vor sich, wie er bei ihr in der Küche saß und ihr begeistert von seiner Zeit in London und seinen hochfliegenden Karriereplänen vorschwärmte. Bevor sie gemerkt hatte, welcher Art sein Interesse an ihr war, hatte auch sie ihm von ihren Träumen erzählt. Von dem Catering-Service, den sie eröffnen wollte.
    „Wir haben uns hin und wieder unterhalten, aber …“
    „Ihr habt euch unterhalten, aha. Und geküsst. Und du willst mir weismachen, das Foto sei nicht im Bett

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