Zwischen Wind und Wetter
worden.
Der irische
Dichter Liam O’Flaherty hat dieses auch heute noch tiefgreifende irische Thema
in seinem Roman ‘Zornige grüne Insel’ eindrucksvoll verarbeitet.
Den
Nachmittag verbringen wir im Literaturcafé, so etwas gibt es in Dingle, trinken Tee, schreiben Tagebuch und blättern in den
ausliegenden Büchern und Zeitschriften.
»Alles auf
Englisch«, stellt Uschy stöhnend fest.
Ja, alles
auf Englisch, es hilft nichts. Her mit dem gelben Langenscheidts!
Mittwoch,
16.6.
Die
Peninsula.
Wir haben
eine Halbinsel-Rundfahrt bei Moran’s Garage gebucht. John, der Fahrer des
Kleinbusses, begrüßt uns, zwei weitere Deutsche und vier Amerikaner/innen mit
einem
»Hallo,
folks!«
Alte,
steinerne Bienenkorbhäuser, ein Ringsteinfort (Promontory Fort); Ogham-Steine,
vorkeltische und keltische Kultsteine mit Einkerbungen, die als Namen
entschlüsselt werden konnten; die frühchristliche Gallarus Oratory, eine
massive Steinkapelle. John erklärt, erzählt kleine Geschichten dazu, läßt sich
fragen. Er macht das locker, sehr gewandt, ich schätze sein Alter auf dreißig
Jahre. Er hat uns zu Beginn der Fahrt versprochen, langsam zu reden. Und
langsam zu fahren. Beides hält er ein.
Wir sehen
die Blasket Islands, wo seit 1953 niemand mehr wohnt, die letzten Bewohner
wurden auf das gegenüberliegende Festland nach Dunquin umgesiedelt. Tomás
O’Crohan war einer der Bewohner, einer der ungekrönten ‘Könige’ der Inseln, die
ihre Erinnerungen aufschreiben ließen: ‘The Island Man’, der deutschte Titel
lautet: ‘Die Boote fahren nicht mehr aus’.
Dann sehen
wir die Insel Beginish, die aussieht wie ein Mann, der auf dem Rücken liegt,
beobachtet von den ‘Three Sisters’, einem Bergrücken mit drei Spitzen.
John fährt
uns hart am Rande des Slea Heads vorbei, an den wilden Felsklippen, die schräg
abwärts geschichtet in der Gischt verschwinden.
Das Wrack ist fort!
»Never seen again !« sagt
John.
Natürlich
habe ich ihn sofort nach dem Wrack gefragt, ich kenne die Bilder aus Büchern
und Zeitschriften, auf denen der Teil des Frachters, der nach der Strandung auf
den Felsen des Slea Head hängen geblieben war, zu sehen ist.
Das war
1982. Seitdem war das Wrack der ‘Ranga’ ein beliebtes Ausflugsziel für
Touristen und Motiv für Fotografen aus aller Welt.
Und nun ist
das Wrack fort. Die Reste, erzählt John, sind 1991 auseinandergebrochen und
haben dann die Winterstürme 1992/93 nicht mehr überlebt.
Never seen
again! Ich bekomme aus John nicht so recht heraus, ob sie froh sind, die
sichtbare Erinnerung an eine Katastrophe losgeworden zu sein, oder ob sie um
eine Touristenattraktion trauern. Aber nun ist ja Fungi da, der Delphin.
Ebenfalls am
Slea Head wurde 1968 der Film ‘Ryans Daughter’ gedreht, wovon uns auch Ina
Ryan, die Wirtin aus O’Brians Bridge erzählt hatte. Das eigens dafür aufgebaute
Filmdorf mußte wie vereinbart nach Drehende abgerissen werden, die Iren wollten
so etwas nicht am Slea Head. Dennoch begann um diese Zeit der Tourismus, sich
für die Halbinsel Dingle zu interessieren. Wer den Film gesehen hat, erkennt
die große Sandbucht; der Weg des Hauptdarstellers für die Schlußszene ist noch
markiert; daß ein Helikopter bei den Dreharbeiten abstürzte, erzählt John.
In
Ballyferriter (Baile an Fheirténraight oder Baile an Feirteiris) trinken wir
Tee in einer Kneipe, in der wir uns wie im Saloon eines Küstendampfers der
zwanziger Jahre fühlen. Weißgestrichene Holzbretter an den Wänden, karge
Einrichtung mit Erinnerungen an die Seefahrt, Kompaß, Barometer; eine roh
zusammengezimmerte Theke.
Wir trinken
Tee. Das Schiff schwankt nicht.
Wir müssen
noch einen Friedhof mit gälischen Kreuzen und christlichen Madonnen
besichtigen, dann bringt uns John auf schmalen Straßen durch das Landesinnere
wieder heil nach Hause.
»Thank you,
John!«
Donnerstag,
17.6.
Das Übliche.
Morgens um
sechs: weiße Wolkenstreifen, weite Sicht, kein Regen.
Etwas
später: Sonne.
Um elf Uhr:
das Übliche.
Wir bleiben
im Zelt, essen Ham and Eggs, Schinken mit Eiern, üben Englisch anhand des
Beipackzettels der Eierschachtel:
‘These eggs are lead by hens that have the freedom of
fresh green pasture daily. It is important to note, that their feed is totally
free of any antibiotics, artificial colouring or additives of any kind.’
Glückliche
Hühner, glückliche Eier, glückliche Menschen. Wir sprechen ein kurzes Dankgebet
dem Department of
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