Zwischen Wind und Wetter
Tralee, aus dem
war Uschy kaum wieder herauszukriegen...
Um fünfzehn
Uhr wirft der Busfahrer am Hafen von Dingle den Motor an, um einundzwanzig Uhr
werden sie am Flughafen sein und sich in der Halle die Nacht um die Ohren
schlagen, denn das Flugzeug hebt erst morgen früh um neun Uhr ab.
Der
DER-Tours Reisedienst hat endgültig versagt, es ist uns trotz etlicher
Telefonate nicht gelungen, den Abholdienst zu mobilisieren. Ein Taxiunternehmen
gibt es in Dingle nicht.
Wir nehmen
uns zum Abschied ganz fest in die Arme, dann fährt der Bus, wir winken mit den
Taschentüchern, weg sind sie.
Wir fühlen
uns verlassen und sind den ganzen Abend lang traurig.
WIEDER UNTERWEGS
On the road again!
Der 45 km
lange Weg an der Südküste ist zu bewältigen. Zunächst geht es von Dingle nach
Castlemaine, bevor wir in unsere Richtung, Süd-Südost nach Cork, einbiegen
können.
Auf dem
Hinweg hatte uns das Wetter die Aussicht auf die Dingle Bay verwehrt. So freue
ich mich jetzt auf eine sonnige Fahrt mit freiem Blick.
In Anascaul
fotografieren wir Dan Foley’s berühmten rosafarbenen Pub, eine Kneipe, die
viele von den entsprechenden Ansichtskarten her kennen. Ein Foto von der
schwarz-weiß getünchten ‘Süd-Pol’-Kneipe mißlingt. Ach, wir hätten es ahnen
können. Eine Kneipe, die ‘Süd-Pol’ heißt! Obwohl wir uns näher dem Nordpol
bewegen. Mit dem Finger auf der Landkarte ist es doch nicht mehr weit: nur nach
Schottland hoch, Katzensprünge zu den Orkneys, den Shetlands, den Färöern. Von
dort nach Island, wir sind fast schon da, Sprünge noch über Jan Mayen nach
Spitzbergen und dann...
Wir stehen
vor dem ‘Süd-Pol’! Ob Nord- oder Südpol: Schon während wir fotografieren,
huschen die ersten Nebelfetzen über Dan Foley’s rosa Fassade. Das Wetter ist
innerhalb kürzester Zeit umgeschlagen, Nieselregen und Nebel. Wir sehen nichts
vom Wasser, nichts von Inch und der folgenden Felsküste. Nichts ist zu sehen,
nur der große Milchsee ist um uns herum, der Dylan-Thomas-Milchwald.
Wir
konzentrieren uns auf das Radfahren, fahren schnell, fast verbissen. In
Castlemaine die Pause, wieder auf der Holzbank neben der Wasserpumpe, im selben
trüben Wetter wie auf der Hinfahrt.
Weiter nach
Süden, nach Killorglin. Wir kämpfen gegen den unangenehmen Südwestwind. Fahren
hintereinander wegen des starken Verkehrs. Endlich biegt die N 22 nach Südosten
ab, wir bekommen Seitenwind. Noch zehn Kilometer bis Killorglin. Es wird
heller, aber nicht hell. Zwischen hohen Hecken fahren wir dahin, wechseln nur
wenige Worte.
Mädesüß und
Geißblatt duften stark am Wegesrand, Erinnerungen an die Blumengärten meiner
Großeltern steigen auf. Erinnerungen, die an Düfte geknüpft sind, die die
Kindheit wachrufen. Sorglosigkeit, Glück, die Spiele draußen, ein Tag so
spannend wie der andere in langen, heißen Sommern. Und Sigrid, die erste Liebe.
Die Reifen
rubbeln über den Rauhasphalt, die Arme schmerzen, schon fünfundfünfzig
Kilometer, der Sattel drückt, die Gedanken schwirren zwischen Killorglin und
Killarney, das in so vielen Liedern besungen wird.
In
Killorglin sitzen wir am River Laune, an der Bogenbrücke. Die Stadt wirkt
überschaubar, lebendig, es gibt ein Kino, zwei Hotels und ein Fahrradgeschäft.
Und viele andere Geschäfte. Sheahan’s Pharmacy, die Metzgerei John Hurley, die
Esmerald Collection mit Textilien oder Mac’s Icecream. Und O’Flaherty,
O’Sullivan, Mulcahy und M’Doshea. Ja, sicher, oder war das in Killarney? Doch, in Killarney auch, Penny’s Pottery, the
Innisfallen Shopping und The Flesk Restaurant, und Sean Coyne oder O’Leary.
Menschen
eilen geschäftig die Hauptstraße hinauf und hinunter — wie wenig die anhaben,
bei dem Wetter, während wir
uns am Fluß bei der Bogenbrücke niederlassen. Plötzlich wechselt die Stimmung,
wir haben gute Laune, irische Laune. The Irishness!
Gegen
siebzehn Uhr treffen wir in Killarney ein. Über siebzig Kilometer waren das
heute, was man nicht alles schafft, wenn man gute Laune hat. Irgendwo zwischen
Dingle und Killarney haben die Scheibenrädchen des Kilometerzählers die tausender Marke übersprungen, ohne daß wir es gemerkt haben.
1.000 Kilometer. So wenig, so viel.
Killarney
ist von Touristen überlaufen. Wir hören viele deutsche Sprachfetzen. Seit
zweihundert Jahren gibt es hier Tourismus, die Stadt soll daraus entstanden
sein. Zweirädrige Pferdekutschen bringen die Leute in den herrlichen Park um
den Lough Leane, der
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