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Zwischen Wind und Wetter

Zwischen Wind und Wetter

Titel: Zwischen Wind und Wetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Straeter
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zwischen den Tischen herum.
    Ob es am
Bier, an den Kinosesseln oder woran auch immer lag, zufällig blickten wir
durch’s Fenster.
    Der Mann,
der draußen vorbeiging, sah aus wie Salman Rushdie! Salman Rushdie, als Tourist
verkleidet, in Dingle? Gut möglich, niemand würde ihn erkennen — oder glauben,
daß er es ist. Seine Jäger würden ihn nicht finden, wer fährt schon nach
Irland!
    Ob es am
Stout lag oder an den Kinosesseln: kurz darauf sahen wir die Queen
vorbeikommen, die Königin von England, ein Kopftuch um, zur Tarnung natürlich.
Es gibt Zeitungsfotos von ihr, auf denen sie ein Kopftuch umhat.
    Jetzt wurde
uns endgültig klar, daß es Salman Rushdie gewesen sein mußte. Er wohnte doch
versteckt in England, traf sich jetzt hier heimlich mit der Queen, um das
weitere politische Vorgehen zu besprechen. Als am selben Abend hinter dem
Skellig-Hotel ein Hubschrauber landete, wurden unsere Vermutungen zur
Gewißheit. Ein Hubschrauber in Dingle, ja, für wen wohl? Salman Rushdie, der
Todeskandidat, und die Queen wurden wieder abgeholt.
    Doch wer
glaubt mir, den Satan der Verse gesehen zu haben. Kaum glaube ich es selbst.
Ich holte mir noch ein Stout: eigentlich sah er sich sehr ähnlich!
     
     
    Sonntag,
20.6.
    Ein Tag wie
der Name.
    Wir genießen
den Strand in der Nähe des Leuchtturms. Ilse malt ihn, Trudi stöhnt über zuviel
Sonne, Uschy fühlt sich wie im Paradies, und ich bade zum erstenmal im kühlen
Wasser.
     
    Am Abend
landen wir in einem ‘Singing Pub’, wo zwei Musikerinnen mit Akkordeon, Trommel
und Tamburin wilde irische Musik erklingen lassen. Eine Gruppe Iren tanzt zu
gälischen Volksweisen, wir sehen und hören gebannt zu. Es wird spät.
     
     
    Montag,
21.6.
    Milltown
Bridge.
    Milltown ist
der nächste Ort Richtung Westen. Wir spazieren gemeinsam am Steinstrand von
Milltown Bridge entlang. Bei der Pause am Wendepunkt im Sonnenschein gerate ich
ins Träumen.
     
     
    Brücke bei
Milltown
     
    Sanft
gleitet die Prau
    über den
Spiegel der Bay
    Am niedrigen
Ufer
    Büsche wie
Mangroven
    Urwald
krönte einst die Tatzen der Felsnasen.
     
    Brennend
bohrt die Sonne
    ihre
Strahlen in den Sulawesi-Sund
    Langsam
gleitet die Zeit, endlos
    wie Fangarme
tödlicher Schlingen.
     
    Klagende
Schreie der Möwen —
    zurück aus
den Seemannsgeschichten
    zum
Steinstrand der Wirklichkeit
    Milltown
Bridge in nördlichen Breiten.
     
    Im Radio
sagen sie eine kalte Nacht an, zwischen fünf und acht Grad. Ilse behauptet,
Hinweise auf die Gefahr von Bodenfrösten herausgehört zu haben.
    Gut, daß wir
Sommeranfang haben.
     
     
    Dienstag,
22.6.
    In diesem
Frühjahr hat Irland zum zweitenmal den ersten Preis beim europäischen Schlagerwettbewerb,
dem European Television Contest gewonnen. Ich kann mich erinnern, daß die Iren,
als sie in den siebziger Jahren zum erstenmal teilnahmen, den letzten Platz
belegten. Als das Ergebnis verkündet wurde, winkte der irische Sänger
freundlich ins Publikum und rief: Wir kommen wieder!
    Und nun hat
eine irische Bergsteigergruppe, während wir uns durch Wind und Wetter ihres
Heimatlandes kämpfen, den höchsten Berg der Welt, den Mount Everest, bestiegen.
Zum erstenmal sind Iren am Gipfelkreuz; pünktlich zum Jahrestag der
Erstbesteigung vor vierzig Jahren durch den Sherpa Tenzing Norgay und den
Neuseeländer Edmund Hillary. Die Iren holen auf. In den Kneipen wird heute abend ein Extra Stout getrunken.
     
    Der
Linienbus bringt uns nach Tralee. Vom Bus aus können wir während der Fahrt die
langen Sandbuchten an der Nordküste von Dingle erkennen. Wir passieren die
große Windmühle vor Tralee, zur der eine kleine Dampfeisenbahn führt, kümmerlicher Rest der ehemaligen Eisenbahnlinie von
Tralee nach Dingle, die bis auf einen Brückenbogen völlig von Pflanzen
überwuchert ist.
    Trudi und
Uschy bummeln durch die Geschäfte, Ilse und ich besuchen das vom
museumspädagogischen Standpunkt aus sehr gut aufgemachte Heimatmuseum, fahren
im Untergeschoß mit einem automatisch gesteuerten Elektrokarren durch eine
mittelalterliche Stadt. Mehrsprachige Erläuterungskassetten können in das
Armaturenbrett eingelegt werden, laufen auf Wunsch auch in Deutsch. Eine
historische Geisterbahn, sehr lebensecht nachempfunden, mit Plastik-Menschen,
Geräuschen, Nebel und Gerüchen, vor allem einer echten, stinkenden Gosse.
     
     
    Freitag,
25.6.
    Abreise der
beiden Damen. Die Stimmung ist gedrückt. Uschys Reisetasche ist geplatzt, wir
müssen sie mit Zeltleinen nähen. Ja, ja, der Indian-Laden in

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