Zwischen Wind und Wetter
Agriculture and Food, das uns dies alles mitteilt, uns
beruhigt, uns schützt vor Antibiotika und Farbzusätzen. Hoffentlich.
In den
‘Tagebüchern von Adam und Eva’ von Mark Twain steht bei Adams Eintragungen an
solchen Tagen nur: Durchgewurschtelt.
Freitag,
18.6.
Der Mann,
den es nicht gab.
Hätte er
doch geschwiegen, der Pierce Ferriter!
Pierce war
Bauer. Schon lange, in Ballyferriter (oder Baile an Fheirténraight oder Baile
an Feirteiris) auf der Dingle Halbinsel in West Kerry. Schon seine Vorfahren
waren hier ansässig gewesen, solange man denken oder erzählen konnte. Pierce
war vierunddreißig Jahre alt, ein kräftiger, kurzhaariger Bursche mit
verschmitztem Gesicht. Auch bei schlechtem Wetter stand sein Oberhemd immer
drei Knöpfe auf, die Regenjacke wehte offen im Wind.
Fest
verwurzelt in irisch-gälischer Erde, war Pierce gewissen Modernisierungen gegenüber
jedoch nicht abgeneigt, zumal einige Kollegen, d.h. Konkurrenten, im Pub immer
öfter von der Europäischen Gemeinschaft und von gewissen Geldern redeten.
Also
beschloß Pierce eines schönen Tages, es war noch nicht lange her, seine Farm an
diesem Ende der Welt — Dingle bezeichnet sich gern als Europas westlichste
Hafenstadt — auf Vordermann zu bringen. Er beantragte einen finanziellen
Zuschuß zwecks Modernisierung seiner Farm. Die Sache ging ihren behördlichen
Gang und schließlich fehlte, wie die zuständige Behörde ihm schrieb, nur noch
die Geburtsurkunde.
Eine
Geburtsurkunde? Pierce Ferriter schüttelte den Kopf. Zwar war er nachweislich
sichtbar geboren, man wußte auch das Jahr 1957, aber eine Geburtsurkunde, die
gab es nicht. In Kerry soll das damals häufiger vorgekommen sein. Doch das
nützte wenig: Pierce war nicht registriert, es gab keine Geburtsurkunde, damit
keinen Pierce Ferriter und deshalb auch kein Geld.
Es ging hin
und her, schließlich ließ sich über das Zentralregister in Dublin etwas machen.
Pierce sollte dort nachträglich registriert, eine Geburtsurkunde erstellt
werden. Das Geld würde fließen.
Doch nicht
so bei Ferriter in Ferriter. Artikel acht der irischen Verfassung benennt die
gälische Sprache als erste Landessprache vor dem Englischen. Und darauf sind
die Iren stolz. Ganz besonders stolz war Pierce Ferriter. Er bestand darauf,
unter seinem gälischen Namen Piaras Feirtear eingetragen zu werden...
Das lehnte
die Behörde ab. Den Pierce Ferriter hatten sie noch so eben in Dublin notiert,
einen Piaras Feirtear aber konnte man den Akten beim besten Willen nicht
entlocken. Den gab es nicht, weder in Dublin noch in Ballyferriter oder Baile
an... oder... Der Zuschuß rückte in weite Ferne, die Kühe warteten weiter auf
die neue Melkanlage. Doch ein Kelte gibt so leicht nicht auf. Pierce
mobilisierte Freunde und Bekannte, Rechtsanwälte und die heimische Presse mit
dem beziehungsreichen Namen ‘The Kingdom’, der an das ‘Vereinigte Königreich
von Großbritannien und Nordirland’ erinnerte.
Das
Schicksal gewährte dem Mann, den es nicht gab, eine letzte Chance zur
Wiedergeburt. Man fand in Dublin ein altes Wählerverzeichnis, in dem Piaras
Feirtear erwähnt war. Und dann gab es ihn endlich auch offiziell, den Mann am
Slea Flead, das Geld floß auf sein Konto und die Milch der Kühe seitdem durch
kalte Metallröhren.
Hätte er
besser geschwiegen? The Man, who didn’t exist, der Mann, den es nicht gab?
Keine Behörde, auch keine Militärbehörde würde ihn finden, und den geregelten
Ärger mit den Brüsseler Bestimmungen könnte er sich ersparen. Er würde still
und geheimnisvoll an diesem Ende der Welt sein typisch
irisch-gälisch-keltisches Leben, sein uneuropäisches (oder erst recht
europäisches?) Leben führen, und die Krähen würden es von den Dächern krächzen,
daß Pierce eigentlich Piaras heißt oder umgekehrt oder überhaupt.
Samstag, 19.6.
Der Satan
und die Queen.
Nach der
Rückkehr von einem sonnigen Ausflug zur Sandhalbinsel Inch trieb uns der
aufkommende Regen direkt Tom Long in die Arme. Genauer gesagt in die Bruchbude,
die sich ‘Tom Long’s Bar’ nannte. Tom Long zapfte hier Bier, sein Vater Tom
Long hatte hier Bier gezapft, dessen Vater Tom Long hatte...
Wir nahmen
Platz in ausgemusterten Kinosesseln und auf Bänken mit senkrechter Rücklehne.
Der Fußboden war voller Zigarettenstummel, nicht einmal Bierdeckel lagen auf
den dunklen Holztischen. Eine Zwölfjährige mit einem jungen Fuchs auf dem Arm
bediente uns, irritiert sprang der Kneipenhund
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