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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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war überzeugt, daß dies nicht an den mangelnden Fähigkeiten ihrer Freundin lag. Sie hielt ihr einen kurzen Vortrag über die Rezession, und schon befanden sie sich mitten in einer dieser endlosen politischen Diskussionen.
    Politisch waren sie noch nie einer Meinung gewesen. Die radikale, anarchistisch angehauchte Ann-Marie beschuldigte ihre Freundin aus gutbürgerlichem Haus, eine ängstliche Sozialdemokratin zu sein, und warf ihr politische Naivität vor.
    „Du bemühst dich ständig, dein Gewissen zu beruhigen, indem du dich besonders sozial und kollegial zu deinen Angestellten verhältst. Prinzipiell finde ich das in Ordnung, aber mußtest du denn gleich so übertreiben und den Unfähigsten von ihnen heiraten? Ich fürchte, du leidest unter einem saftigen Sozialtick. Sicher wärst du eine ausgezeichnete Sozialarbeiterin geworden, wenn dich dein Vater nicht gezwungen hätte, Architektur zu studieren.“
    Anna dachte nicht daran, ihren abwesenden Ehemann in Schutz zu nehmen, obwohl sie fand, daß Ann-Marie ihre Abneigung gegen Alfred übertrieb, ja geradezu kultivierte. Schließlich hatte er ihr nichts getan. Im Gegenteil, er verhielt sich immer besonders freundlich und zuvorkommend zu der besten Freundin seiner Frau – vielleicht sogar eine Spur zu freundlich. Trotzdem hatten Alfred und Ann-Marie nie viel miteinander anzufangen gewußt. Hinterrücks schimpfte er immer über den verheerenden Einfluß, den diese ausgeflippte Person auf seine Frau ausübte. Doch das konnte Ann-Marie nicht wissen, und Anna hütete sich, es ihr zu erzählen.
    Ann-Marie konnte Alfred nicht ausstehen und war damals auch nicht zur Hochzeit erschienen, obwohl Anna ihr Geld für das Ticket geschickt hatte. Es kam postwendend zurück.
    Anna vermutete, daß ihre Freundin von Anfang an auf Alfred eifersüchtig gewesen war. Sie ahnte nicht, wie nahe sie mit dieser Vermutung der Wahrheit kam.
    Ann-Marie war sich über ihre Gefühle nicht im klaren. Sie schlief mit Männern, aus denen sie sich im Grunde nicht viel machte. Außer fürs Bett waren sie, ihrer Meinung nach, zu nichts nutze. Vor allem beim Frühstück fand sie den Anblick verliebter Jünglinge unerträglich. Sie zog es vor, in Ruhe ihre Zeitung zu lesen.
    Schon immer hatte sie sich mit Frauen viel besser verstanden als mit Männern, aber mit Liebe hatte das nichts zu tun. Nicht einmal in der Pubertät war sie den üblichen Schwärmereien für eine Lehrerin erlegen, so wie Anna damals in der dritten Klasse des Gymnasiums. Doch in den letzten Jahren war ihr bewußt geworden, daß sie für ihre spröde und verklemmte Freundin nicht nur rein freundschaftliche Gefühle hegte. Nie zuvor hatte sie für eine Frau ähnliches empfunden. Sie wagte jedoch nicht, mit Anna darüber zu sprechen.
    Ihre Liebe sei unsterblich, hat sie gedacht. Auf den Tod hat sie vergessen. Es kommt ihr vor, als sei sie selbst gestorben, als sei es ihr eigenes Begräbnis.
    Ein Stück von ihr ist tot, grausam, endgültig, unwiederbringlich, zerschmettert auf dem Steinboden eines Hinterhofes. Vorbei, aus, aus für immer. Kein Gedanke an das Jenseits. Alles zerstört, was sie liebte. Hoffnungslosigkeit, Leere, Einsamkeit. Sie hat keine Tränen mehr. Anna ist tot.
    Tod durch Selbstmord.
    Fremdverschulden ausgeschlossen.
    Gestorben, indem sie selbst Hand an sich legte.
    Freiwillig aus dem Leben geschieden.
    So stand es in den Zeitungen und auch in der Todesanzeige. Der Schmerz der Hinterbliebenen ist bis in alle Ewigkeit schwarz auf weiß dokumentiert; es ist nicht ihr Schmerz.

„Dieses Wetter macht mich trübsinnig. Manchmal habe ich so einen warmen Regen ganz gern, aber heuer reicht es mir schon. Wir haben noch gar keinen Sommer gehabt. Ständig grauer Himmel über Wien, und da soll man nicht depressiv werden“, sagte Anna.
    Sie machten es sich im nur spärlich möblierten Wohnzimmer bequem. Eine cremefarbene Ledercouch, zwei Fauteuils, ein kleiner Tisch, Bücherregale, Stereoanlage, TV-Apparat. Anna haßte Topfpflanzen, Nippes und gehäkelte Deckchen. Die ganze Wohnung wirkte nüchtern und steril, nur die schrägen, mit hellem Holz getäfelten Wände und die großen Spinnweben an der Decke spendeten ein wenig Wärme.
    Anna registrierte den belustigten Blick ihrer Freundin.
    „Du bewunderst meine Haustierchen? Zum Glück graust meiner Putzerin so sehr vor Spinnen, daß sie sich nicht traut, die beiden runterzuholen.“
    Seit der Aufgabe der unteren Etage begnügte sich Anna mit vier Zimmern, und Alfred mußte sich

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