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Zwischen zwei Nächten

Zwischen zwei Nächten

Titel: Zwischen zwei Nächten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Kneifl
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das Pflaster ein weiches, warmes Bett wäre. Es muß in der Nacht passiert sein. Der Wirt vom Nebenhaus hat sie gefunden, als er in der Früh seine Mistkübel in den Hof gestellt hat. Den ganzen Tag ist hier der Teufel los gewesen. Ich komme erst jetzt dazu, ein bißchen Ordnung zu machen. Vorher habe ich ja nichts anrühren dürfen.“
    Ann-Marie kam gar nicht auf die Idee, sich zu wundern, was diese Frau zu so später Stunde in Annas Wohnung zu suchen hatte. In Wien war es neun Uhr abends.
    „Sie können sich nicht vorstellen, wie es hier aussieht, die Wohnung ist ein richtiges Schlachtfeld.“
    Ann-Marie konnte sie kaum verstehen, weil sie zwischen den einzelnen Sätzen ständig nach Luft schnappte und die meisten Endsilben in heftigem Schluchzen untergingen.
    Sie fühlte sich wie gelähmt, stellte keine einzige Frage, legte aber auch nicht auf.
    „Möchten Sie den Herrn Alfred sprechen? Er ist leider nicht da. Er muß sich doch um alles kümmern, das Begräbnis und so …, es wird am Freitag stattfinden.“
    Ann-Marie hörte ihr nicht mehr zu. Irgendwann legte sie den Hörer auf die Gabel, und von da an kann sie sich an nichts mehr erinnern.
    Jeff, der über ihr wohnte, hörte ihre Schreie und kam sofort herunter. Angeblich fand er sie wimmernd am Boden liegen. Mangels eines wirkungsvolleren Beruhigungsmittels flößte er ihr eine halbe Flasche Whisky ein und brachte sie zu Bett.
    Als sie erwachte, handelte sie wie in Trance, borgte sich von allen Bekannten Geld aus, sogar ihre armen puertoricanischen Nachbarn pumpte sie um ein paar Dollar an. Bis Mittwoch hatte sie die benötigte Summe zusammen und buchte einen Platz in der nächsten Maschine nach Wien. Donnerstag abend landete sie in Schwechat und fuhr gleich zum Zentralfriedhof. Die Nacht verbrachte sie in einem Stundenhotel, das sie noch von früher kannte.
    „Interessant, nicht wahr? – Aber ich finde den Jungen gar nicht so übel. Hin und wieder bitte ich ihn, Botengänge fürs Büro zu erledigen. Frau Maricek läßt sich aber nichts schenken. In dieser Hinsicht erinnert sie mich an dich. Wenn ich ihrem Sohn ein paar Schilling zukommen lasse, bedankt sie sich jedesmal überschwenglich und vergißt dann prompt, eine Stunde bügeln zu verrechnen, was mir wiederum peinlich ist. Ich versuche mich dann mit alten Sachen für ihre Verwandten auf dem Land zu revanchieren. Natürlich weiß ich, daß sie meine alten Modellkleider selbst trägt, aber dieser Vorwand mit den armen Verwandten erlaubt es ihr eher, die Sachen anzunehmen.“
    „Du bist wirklich unverbesserlich.“
    „Den jungen Maricek kann ich, wie gesagt, gut leiden. Er macht ein bißchen auf Punk und sieht schrecklich wüst aus mit seinem kurz geschorenen Haar und seinen tätowierten Unterarmen. Aber ich amüsiere mich köstlich über seine ordinären Sprüche. Du solltest ihn einmal hören, wenn er so richtig loslegt. Ich glaube, daß er mich auch mag. Anfangs ist er mir verständlicherweise mit einem gewissen Mißtrauen begegnet, aber eines Tages hat er mir ganz unverblümt mitgeteilt, daß ich schwer in Ordnung sei. Und, ob du es glaubst oder nicht, ich habe mich über dieses Kompliment sehr gefreut. Selbstverständlich biete ich ihm immer Bier und Zigaretten an, außerdem habe ich mich für sein auffrisiertes Moped interessiert. Ich denke, das hat ihn endgültig für mich eingenommen.“
    „Entschuldige, ich muß dich kurz verlassen“, unterbrach Ann-Marie den Redeschwall ihrer Freundin und ging aufs Klo.
    Als sie von der Toilette zurückkommt, setzt sie sich zu Frau Maricek, die man notgedrungen auch eingeladen hat.
    Schließlich kehrt man an einem solchen Tag nicht unbedingt den Snob heraus. Außerdem hätte es sich die gute Frau wahrscheinlich ohnehin nicht nehmen lassen, bei Annas Begräbnis zu erscheinen. Sie gehört bestimmt zu den Leuten, die Unglücksfälle und Schicksalsschläge als eine von Gott auferlegte Prüfung betrachten und sie nicht nur mit dem nötigen Respekt hinnehmen, sondern auch gebührend zu zelebrieren wissen. – Aber hat sie denn unbedingt ihren „verwahrlosten“ Sohn mitbringen müssen?
    Ann-Marie versucht sich Alfreds Gesichtsausdruck beim Anblick des jungen Irokesen vorzustellen und kann sich das Lachen kaum verbeißen.
    Mit ihm hat man sicher nicht gerechnet. Er ist garantiert nicht eingeladen gewesen. Zum Glück sitzen die beiden am unteren Ende der Tafel. Dadurch entgeht man wenigstens der lästigen Pflicht, ein paar höfliche Worte an sie zu richten.
    Die

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