Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
pessimistischer Zwilling, den er noch vor wenigen Augenblicken hatte hervorscheinen lassen.
»Mach ich, schönen Tag noch!« Mit diesen Worten gingen wir getrennte Wege. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich nur knapp einem erneuten Unfall entgangen war. Der einsetzende Schock steckte mir tief in den Gliedern und ließ mich ganz schwach werden. Zitternden Schrittes ging ich zur Arztpraxis und schleppte mich mühevoll die Stufen nach oben. Wie in einem Film zogen die nächsten Minuten an mir vorbei. Ich bekam nur am Rande mit, wie mich der Arzt untersuchte und mir den, vorher so ersehnten, Freibrief gab. Zu sehr war ich mit den Geschehnissen auf der Straße beschäftigt. Das konnte kein Zufall mehr gewesen sein. Jemand musste gewusst haben, dass ich diesen Weg entlang ging. Wie sonst hatte man mir auflauern können, um mich im passenden Moment umzufahren? In Gedanken ging ich alle Personen durch, die wussten, dass ich vorgehabt hatte , zum Arzt zu gehen. Phil, meine Eltern, Marie, Herr Schumann, beziehungsweise Corinna, die warum auch immer ans Telefon gegangen war, und Silvia. Letztere auch nur, weil ich Richard angerufen hatte, er sich aber in einem Meeting befand. Ich hatte ihr ausgerichtet, dass er mich zurückrufen sollte, ich aber beim Arzt sei. Meinem Gefühl nach musste es Silvia sein, wer sonst würde mir nach dem Leben trachten wollen? Gut, Corinna hatte auch einiges gegen mich, doch würde sie zu solchen Maßnahmen greifen? Vor allen Dingen, warum? Sie hatte im Grunde genommen kein Motiv. Es sei denn, sie war auf verschlungenen Wegen mit Klaus Waldinger verbunden und suchte nun nach einer Möglichkeit, mich zu ruinieren. Das klang selbst mir zu weit hergeholt und abwegig, ich vermutete, dass ihre Abneigung mir gegenüber mit anderen Dingen zu tun hatte. Immerhin hatte sie mich schon lange, bevor Phil auf der Bildfläche erschienen war, nicht leiden können. Nein, Corinna als Übeltäterin schied aus. Was mich wieder auf Silvia zurückbrachte. Richard vertraute ihr und zählte in vielen Dingen auf sie und auch Phil hielt die Fahne für sie hoch. Warum hatte sie bei beiden einen Stein im Brett und warum waren beide von ihrer Unschuld überzeugt? Bei Phil war ich noch versucht, es auf sentimentale Gefühle zu schieben, aber was war mit Richard? Meine Grübelei, wer nun der oder die Schuldige sei, brachte mich nicht weiter, wie ich auf dem Heimweg feststellte. Es gab nur einen, der Licht ins Dunkel bringen konnte, und das war Richard. Mochte er Phil aus nicht näher bekannten Gründen angelogen haben, der Zeitpunkt für die Wahrheit war gekommen und er würde mit mir nicht das gleiche Spiel wie mit seinem Neffen spielen können.
22. Kapitel
Statt in Phils Wohnung zurückzukehren, begab ich mich auf direktem Weg ins Büro. Mir war es egal, ob Richard in einem Meeting war oder nicht. Ich hatte Zeit und würde warten, bis er ein paar Minuten für mich erübrigen konnte. Er hatte lange genug seine Geheimnisse für sich behalten. Wenn er wollte, dass wir ihm halfen, Klaus zu finden, musste er mit offenen Karten spielen. Bisher waren wir davon ausgegangen, dass Phil zu Schaden kommen sollte. Die jüngsten Ereignisse zeigten aber ganz deutlich, dass ich diejenige war, die mit dem Leben bezahlen sollte. Dagegen hatte ich etwas. Sehr sogar! Was Phils Theorie vielleicht doch nicht so absurd erscheinen ließ, wie ich bisher angenommen hatte.
In Richards Vorzimmer angekommen wurde ich von Silvia mit hochgezogenen Augenbrauen empfangen. War sie etwa überrascht, dass ich noch am Leben war? Ich prüfte ihr Gesicht, sie hätte es jedoch ohne Problem e mit jedem Profipokerspieler aufnehmen können, keinerlei Gefühlsregung war ihr anzusehen.
»Was willst du hier? Ich habe dir gesagt, dass er in einer Besprechung ist und sie ist noch nicht vorbei, außerdem hat er danach noch weitere Termine. Ich glaube nicht, dass er Zeit für dich haben wird«, begrüßte sie mich kühl. Sie musterte mich von oben bis unten und was sie sah, entlockte ihr ein herablassendes Lächeln. Vermutlich konnte sie es immer noch nicht verstehen, dass ich diejenige war, der Phil sein Herz geschenkt hatte. Mir, dem Mädchen von nebenan , und nicht ihr, der ultimativen Verführung.
»Ich warte einfach in seinem Büro, bis er wieder zurückkommt. Ich bin mir sicher, dass mir die Zeit nicht langweilig wird.« Ohne eine Antwort von ihr abzuwarten, ging ich an ihrem Schreibtisch vorbei und wollte die Tür zu Richards Büro öffnen.
»Was bildest
Weitere Kostenlose Bücher