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Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Zwischenstation Gegenwart (German Edition)

Titel: Zwischenstation Gegenwart (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Neumann
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, ihr in kurzen und knappen Worten eine möglichst genaue Version der Geschichte unserer Beziehung zu geben. Nachdem ich geendet hatte, schwieg sie für einen Moment, bevor sie mir antwortete.
    »So merkwürdig es klingen mag, ich glaube ihm, wenn er sagt, dass ihr ein Paar wart. Wie ich bereits erwähnt habe, hatten wir vor deinem Gedächtnisverlust eine Unterhaltung darüber, ob er frisch verliebt sei. Ich meinte noch im Spaß, dass du vermutlich seine Freundin bist, weil er dir, trotzdem er alle anderen Frauen nicht beachtete, besondere Aufmerksamkeit zukommen ließ. Damals habe ich es als Witz abgetan, aber du hast es nie abgestritten, sondern sogar noch bejaht. Und ich Hornochse habe dir auch noch geglaubt.«
    »Das mag ja alles sein, aber warum verschweigt er mir etwas?«
    »Ich weiß es nicht, vielleicht ist er mit der Situation genauso überfordert wie du? Ich denke nicht, dass es etwas ist, was illegal oder sonst irgendwie unsittlich wäre, dafür hast du in der Zeit vor deinem Unfall viel zu glücklich gewirkt. Bist du dir sicher, dass du es nicht noch einmal mit ihm versuchen willst?« Jetzt fing sie auch noch damit an, erst Marie und jetzt auch noch Sarah. Für ein wenig Rückendeckung und Unterstützung meiner Freundinnen wäre ich wirklich dankbar gewesen.
    »Ziemlich sicher, er und ich – das hat einfach keine Zukunft«, erwiderte ich mit finsterer Miene und nahm einen tiefen Schluck der blutroten Flüssigkeit aus dem Glas, das ich in meiner Hand hielt.
     
    Nach unserer letzten Zusammenkunft musste auch Phil eingesehen haben, dass ich es ernst gemeint hatte, und er hielt sich, was mich anging, sehr zurück. Trafen wir in der Schule aufeinander, blieben wir höflich, aber unverbindlich. Wir grüßten uns, sprachen übers Wetter, aber nie wieder über die Tatsache, dass wir einmal ein Paar gewesen waren. Wie er versprochen hatte, erschienen keine weiteren Artikel in der Zeitung, und dank der Tatsache, dass wir kaum Zeit miteinander verbrachten, verebbten langsam, aber sicher auch die Gerüchte um uns. Immer weniger wurde hinter meinem Rücken getuschelt, und auch das Gefühl, unter dauernder Beobachtung zu stehen, nahm immer mehr ab.
     
    In Windeseile waren die Tage in der Schule vorbeigegangen und fast überraschend standen die Weihnachtsferien vor der Tür. Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass ich mich je zuvor dermaßen auf die Ferien gefreut hatte. Noch immer hatte ich mit meinen Erinnerungslücken zu kämpfen und fühlte mich Tag für Tag nach Schulende erschöpfter. Stets war ich angespannt und wartete darauf, dass ich aufflog. Im Nachhinein betrachtet fragte ich mich, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war, den Kollegen alles zu verheimlichen, einen Vorteil hatte ich daraus nicht gezogen. Die freie Zeit bedeutete außerdem, dass ich Phil nicht mehr jeden Tag über den Weg laufen würde, was fast himmlischen Zuständen gleichkam. Es war seine Gegenwart, die mich verwirrte und mich grübeln ließ. Fast kein Tag verging, an dem ich ihn nicht erwischte, wie er mich aus der Ferne beobachtete. Sobald unsere Blicke sich trafen, wandte er schnell den Kopf zur Seite und tat so, als sei nichts gewesen. Was mich aber am meisten wunderte, war die Tatsache, dass er nicht zu seinem alten Verhalten zurückkehrte. Hatte ich ihn früher immer wieder flirtend mit Müttern oder anderen Kolleginnen gesehen, war er nun zu einer Art Mönch geworden und mied fast den Kontakt zum anderen Geschlecht.
     
    Meinen ersten freien Tag nutzte ich, um Weihnachtsgeschenke für alle zu kaufen. Zum allerersten Mal spielte es keine Rolle, dass ich mein Gedächtnis verloren hatte. Schon vor Jahren hatte ich mir angewöhnt, eine Liste mit möglichen Geschenkideen für Freunde und Verwandte zu führen. Sobald ich im Laufe des Jahres die Wünsche meiner Lieben wahrnahm, trug ich alles dort ein. So brauchte ich nun lediglich die Liste hervorzuholen und mich gut gelaunt auf den Weg in die Stadt machen, um dort die Läden zu stürmen.
    Stunden später und mit Tüten vollgepackt, betrat ich mein Lieblingscafé, um meinen geschundenen Füßen eine Pause zu gönnen. Trotzdem es zum Bersten voll war, konnte ich noch ein Plätzchen für mich ergattern und ließ mich völlig erschöpft nieder. Während ich darauf wartete, dass die Bedienung meinen Milchkaffee brachte, stöberte ich ein wenig in dem Buch, das ich für mich gekauft hatte. Es gehörte zu meiner Tradition, dass ich mir während der Weihnachtseinkäufe selbst einen Wunsch

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