Zwischenstation Gegenwart (German Edition)
beiden Glücksbringer und dann wieder auf die Karte. Tief in mir rührte sich etwas und ich fühlte mich wie in dem Märchen vom Froschkönig, als am Ende der Diener erklärte, dass nicht der Wagen breche, sondern sich die eisernen Bänder um sein Herz lösten. Und auch ich fühlte mich, als hätte sich eines der vielen Bänder um mein Herz gelöst.
Erst als das Licht im Treppenhaus ausging, kam etwas wie Bewegung in mich. Ich drückte den Lichtschalter erneut und schloss meine Wohnungstür auf. Ich legte meine Tasche und Mantel ab, brachte erst das Schwein und dann den Schornsteinfeger in mein Wohnzimmer. Dort ließ ich mich auf die Couch fallen und betrachtete die beiden. Regungslos starrten sie zurück und doch hatte ich den Eindruck, dass ich hören konnte, wie sie mit mir sprachen.
»Was wartest du noch?«, sagte das Schwein, das mit Sarahs Stimme sprach.
»Ja, jetzt ist der beste Zeitpunkt. Los, ruf ihn an!«, stimmte der Schornsteinfeger ein, der, wie sollte es anders sein, Maries Stimme hatte. Und was soll mir das bringen, dachte ich. Anscheinend konnten Stofftiere auch Gedanken lesen, denn postwendend kam die Antwort vom Schwein:
»Dann weiß er wenigstens, dass du dich über uns gefreut hast. Und ihr redet wieder miteinander!« Ich konnte doch nicht am frühen Morgen bei ihm anrufen, wahrscheinlich schlief er schon längst. Aber ich konnte ihm eine Nachricht schreiben und mich bei ihm bedanken. Ich holte mein Handy hervor, die Stimme des Schornsteinfegers ließ mich allerdings innehalten.
»Und wer weiß, was passiert, wenn ihr erst einmal wieder miteinander redet!« Verwirrt blickte ich auf und ich hätte schwören können, dass sich das bisher freundliche Lächeln des Schornsteinfegers in ein anzügliches verwandelt hatte. Ich schüttelte den Kopf, was ging hier vor? Ich hatte wohl doch mehr getrunken als gut für mich war. Oder war es einfach nur die Müdigkeit? Es war wohl für alle Beteiligten besser, wenn ich mich bei Phil erst bedankte, sobald ich ausgeschlafen und nüchtern war. Ich legte das Handy zur Seite, schnappte mir das Schwein und nahm es mit ins Schlafzimmer. Nach einer kurzen Katzenwäsche legte ich mich erschöpft ins Bett und nahm das Schwein in meine Arme. Fest an das Tier gekuschelt, fiel ich in tiefen Schlaf.
11. Kapitel
Meinem guten Vorsatz der Silvesternacht erging es wie so vielen anderen Vorsätzen, die in einer solchen Nacht gefasst wurden: Ich konnte ihn nicht in die Tat umsetzen. Jedes Mal, wenn ich kurz davor stand , Phil anzurufen oder ihm eine Nachricht zu schicken, überkam mich eine Art Panikattacke, die mich davon abhielt, meinen Vorsatz umzusetzen. Ich fürchtete mich vor dem ersten Schultag, an dem ich ihm wieder gegenübertreten musste. Er rief solche widersprüchlichen Gefühle in mir hervor, wie ich es nie zuvor erlebt hatte, und ich hatte tierische Angst davor, mich näher mit ihnen auseinanderzusetzen.
War Phil ansonsten immer recht spät, wenn es darum ging, in der Schule zu erscheinen, wusste ich beim Anblick seines Wagens auf dem Lehrerparkplatz, dass ich an jenem Morgen kein Glück hatte. Irgendwie blieb mir auch nichts erspart. Aber wenigstens konnte ich ihm endlich für seine Neujahrswünsche danken, ich konnte es nicht ewig hinauszögern und egal was zwischen uns war, wollte ich nicht undankbar erscheinen. Erfreut stellte ich fest, dass außer uns nur die Schulsekretärin da war, das Lehrerzimmer war bis auf Phil leer. Er saß an einem Schreibtisch und blätterte in einem Buch. Ich musste lächeln, das kam mir sehr bekannt vor, wenn er jetzt noch meine Unterlagen wollte, würde ich vermutlich an Zeitreisen glauben. Ich ging auf ihn zu, er schien völlig vertieft zu sein und bekam nicht mit, dass ich neben ihm stand. Ich räusperte mich leicht und das lenkte seine Aufmerksamkeit von dem Buch ab und zu mir hin. Sein Gesicht ließ keinerlei Emotionen erkennen und er sah mich abwartend an. Vor einigen Wochen noch wäre er freudestrahlend aufgesprungen und hätte das Gespräch mit mir gesucht. Was hatte der Wandel zu bedeuten?
»Ein frohes neues Jahr, Phil«, begann ich mit leiser Stimme.
»Das wünsche ich dir auch. Hast du die Feiertage und Silvester gut hinter dich gebracht?« Die unausgesprochene Frage, mit wem ich den letzten Tag des Jahres verbracht hatte, hallte in meinem Kopf.
»Ja, es war ein e schöne Zeit. Weihnachten habe ich bei meinen Eltern verbracht und Silvester war ich bei Freunden«, erwiderte ich. Etwas in mir
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