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Zwölf im Netz

Zwölf im Netz

Titel: Zwölf im Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Seipolt
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sie an die Oberfläche geschwommen. Selbst wenn das stimmte, wäre es nur ein neuer Beweis für seine Macht über die Natur.«
    »Jaja«, bestätigte Frau Salome, »der Dummheit und der Phantasie hat Gott keine Grenzen gesetzt. Ich hab etwas anderes gehört. Ganz boshafte Zungen erklären den Fischfang für glatten Schwindel, es gäbe keine Zeugen dafür außer unseren Kindern, und die hätten einen Sonnenstich erlitten, alle vier und die Wirklichkeit mit ihren Wünschen verwechselt.«
    »Keine Zeugen? Da kann ich nur lachen«, sagte Lea und tätschelte liebevoll das Ledersäckchen, das an ihrem Gürtel befestigt war. »Unwiderlegbare Zeugen, lauter Silberstücke aus dem Verkauf der Beutel-
    Frau Salome beugte sich vor. »Dreihundert, nicht wahr?« Frau Lea wehrte ab. »Da sehen Sie, wie die Leute übertreiben. 234 genau — aber das reicht uns über die schlechten Wochen hinweg, auch wenn Simon und Andreas länger fortbleiben.«
    »Haben Sie Ihren Schwiegersohn gern mit dem Rabbi ziehen lassen?« wollte Frau Salome wissen.
    »Gern?« Lea lächelte verschmitzt. »Gefragt hat er mich nicht, nur kurz Bescheid gesagt. Und Ihr Johannes?«
    »Hat nicht einmal Bescheid gesagt«, seufzte Salome. »Die heutige Jugend macht sich keine Gedanken, was wir uns für Gedanken über sie machen.«
    »Wie lange werden die wohl ausbleiben, was meinen Sie?«
    »Schwer vorauszusagen, Frau Lea, vielleicht nur ein paar Tage, vielleicht den ganzen Sommer hindurch. Gott sei Dank brauchen wir sie in den nächsten Wochen im Betrieb nicht unbedingt; die übliche Sommerflaute, Sie wissen ja. Im Herbst treibt sie hoffentlich das Pflichtgefühl wieder nach Hause.«
    »Was das Pflichtgefühl nicht schafft, schafft die Kälte im Winter. Da vergeht Ihrem Johannes der Spaß, unter freiem Himmel zu kampieren.«
    »Gott gebe es«, seufzte Frau Salome.
    »Das klingt nicht sehr zuversichtlich, liebe Nachbarin.« Frau Salome breitete die Arme aus. »Ihr Schwiegersohn, Frau Lea, hat bereits Familie, Frau und Kind, die er sehr liebt. Der kehrt eher zurück, als Sie glauben. Außerdem ist Simon eine gefestigte Persönlichkeit. Mein Jüngster zählt ganze 17 Jahre, ist romantisch und idealistisch angehaucht, enorm impulsiv — Sie hören's ja! — und oft so erschreckend spontan.«
    Lea kannte diese Modewörter nicht, aber sie kannte Johannes und nickte.
    Salome fuhr bekümmert fort: »Und wenn ein so unfertiger junger Kerl am ungebundenen Leben Geschmack gewinnt, sehe ich schwarz für seine berufliche und private Zukunft.«
    »Aber, Frau Salome«, versuchte sie Lea zu beruhigen, »er hat doch jetzt den besten Meister gefunden, den es in ganz Galiläa gibt.«
    »Das sagen Sie! Sie kennen ihn persönlich, ich nur vom Hörensagen. Ich glaube gern, daß er ein guter Mensch ist.«
    »Bloß ein guter? Der beste! Ein wunderbarer, phantastischer, unübertrefflicher Mann. Glauben Sie mir, bei dem sind unsere Kinder am besten aufgehoben.«
    »Wenn ich nur wüßte, was er mit ihnen vorhat«, sagte Frau Salome, noch immer voll Besorgnis.
    Frau Lea rutschte auf ihrem Stuhl hin und her. Sollte sie oder sollte sie nicht? Nämlich der Nachbarin verraten, was ihr schon seit Stunden durch den Kopf geisterte. Ach was, ich riskiere es, dachte sie sich, und fragte gespannt: »Hat Ihnen Johannes keine Andeutung gemacht?«
    »Wovon?«
    »Von der Zukunft, von dem, was der Meister mit ihnen vorhat.«
    »Nicht daß ich wüßte. Aber Sie tun ja so geheimnisvoll, Frau Lea, spannen Sie mich nicht auf die Folter!«
    Lea legte den Zeigefinger auf den Mund: »Es muß einstweilen strengstes Geheimnis bleiben, bis alles geklärt ist.«
    »Selbstverständlich, Frau Lea. Was muß denn geklärt sein?« Salome rückte ganz nahe an die Nachbarin und streichelte liebevoll ihre Hand.
    Da erzählte ihr Frau Lea, was Jesus zu ihrem Schwiegersohn gesagt hatte. »Von nun an wirst du Menschen fangen. Ein sonderbarer Satz, nicht wahr?«
    Salome besann sich kurz. »Sonderbar, allerdings. Denn er kann ja nicht meinen, daß sich Simon einer Räuberbande anschließen soll, oder diesen Banditen im Libanon, die Kinder reicher Eltern entführen, um hohe Lösegelder zu erpressen. Meiner Meinung nach bleibt nur die Polizei übrig. Der
    Rabbi Jesus und die Polizei — da entdecke ich vorläufig nicht den geringsten Zusammenhang, außer der Gefahr, daß er eines Tages Ärger kriegt mit der Polizei, wenn er noch mehr unmündige Knaben wie meinen Johannes um sich versammelt.«
    Frau Lea wunderte sich. Daß die Frau

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