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Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)

Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)

Titel: Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Solomon Northup
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schmoren. Ich warf die Peitsche zu Boden und erklärte, ich könnte sie nicht weiter bestrafen. Er befahl mir weiterzumachen und drohte mir eine noch intensivere Auspeitschung an, wenn ich das verweigern würde. Mein Herz rebellierte beim Anblick dieser unmenschlichen Szene und ich wiederholte meine Verweigerung, mir der vollen Konsequenzen bewusst. Er nahm die Peitsche nun selbst auf und benutzte sie mit zehnfacher Kraft als ich es getan hatte. Die schmerzerfüllten, durchdringenden Schreie Patseys mischten sich nun mit Epps' lauten und wütenden Flüchen und erfüllten die Luft. Sie war bereits schrecklich aufgeschlitzt – ohne Übertragung darf ich sagen, dass ihr fast die Haut abgezogen wurde. Die Peitsche war rot vor Blut, das an Patseys Seiten hinunterfloss und auf die Erde tropfte. Nach und nach hörte sie auf, gegen ihre Fesseln zu kämpfen. Ihr Kopf fiel apathisch auf den Boden. Ihre Schreie und ihr Flehen ließen immer mehr nach und klangen in einem tiefen Stöhnen aus. Sie schreckte nicht mehr zurück, wenn die Peitsche kleine Fleischstücke aus ihr herausbiss. Ich glaubte, sie würde sterben!
     
    Es war der Sabbat des Herrn. Die Felder lachten im warmen Sonnenlicht – die Vögel zwitscherten fröhlich unter dem Laub der Bäume – Friede und Fröhlichkeit schienen überall zu regieren; außer in der Brust von Master Epps, seinem nach Luft ringenden Opfer und den stillen Zeugen um ihn herum. Die stürmischen Emotionen, die hier wüteten, waren kaum in Übereinklang zu bringen mit der Ruhe und der stillen Schönheit dieses Tages. Ich konnte Epps nur noch mit unsagbarem Abscheu und Gräuel anblicken und dachte für mich selbst – "Du Teufel, früher oder später wirst du für diese Sünde im Angesicht des ewigen Richters bezahlen!"
     
    Schließlich hörte er auf zu peitschen, erschöpft wie er war, und wies Phebe an einen Kübel Salz und Wasser zu bringen. Nachdem ich Patsey gründlich damit gewaschen hatte, musste ich sie zu ihrer Hütte tragen. Ich löste die Fesseln und zog sie in meinen Armen hoch. Sie konnte nicht stehen und als ihr Kopf auf meiner Schulter ruhte wiederholte sie immer wieder mit kaum hörbarer Stimme, "Oh, Platt – oh, Platt!" – das war alles. Wir zogen sie wieder an, aber schon bald klebte das Kleid an ihr und wurde steif vor Blut. In der Hütte legten wir sie auf einige Bretter, wo sie lange liegen blieb, die Augen geschlossen und vor Qualen stöhnend. Nachts legte Phebe ihr geschmolzenes Wachs auf die Wunden und alle versuchten ihr zu helfen und sie zu trösten, soweit wir das konnten. Tag um Tag lag sie in der Hütte auf ihrem Gesicht, da die Wunden jede andere Ruheposition verhinderten.
     
    Es wäre eine Erlösung für sie gewesen und hätte ihr Tage, Wochen und Monate des Jammers erspart, hätte sie ihren Kopf nie wieder erhoben. Tatsächlich war sie von diesem Tag an eine andere. Die Last tiefer Melancholie wog schwer auf ihrer Seele. Sie ging nie mehr mit diesem festen und federnden Schritt und das fröhliche Funkeln in ihren Augen, das sie früher ausgezeichnet hatte, war verschwunden. Die überquellende Lebensfreude und ihre jugendliche, lebhafte Fröhlichkeit waren vernichtet worden. Ihre Stimmung wurde zusehends trauriger und verzagend und oft schreckte sie mitten in der Nacht hoch und bat mit erhobenen Händen um Gnade. Sie wurde stiller und stiller, plackte den ganzen Tag in unserer Mitte und sprach kein Wort. Ein mitleiderregender und von Sorgen gezeichneter Ausdruck machte sich auf ihrem Gesicht breit und ihr Humor bestand nicht länger aus Lachen, sondern aus Weinen. Falls es jemals ein gebrochenes Herz gegeben hatte, zerstört und verschandelt vom rohen Griff des Leids und des Unglücks – dann war es Patseys.
     
    Sie war genau so großgezogen worden wie die Tiere ihres Herrn – die einfach nur als wertvoll und manchmal attraktiv angesehen wurden – und hatte daher auch nur ein begrenztes Wissen. Und doch gab es in ihrem Verstand den gewissen, wenn auch schwachen Lichtstrahl, der ihn nicht ganz dunkel werden ließ. Sie hatte eine schwache Vorstellung von Gott und der Ewigkeit und eine noch schwächere Vorstellung von einem Erlöser, der selbst für jemanden wie sie gestorben war. Sie hatte nur sehr verworrene Meinungen über das zukünftige Leben und konnte den Unterschied zwischen dem irdischen und dem ewigen Leben nicht verstehen. Glück wurde in ihrem Verständnis als Befreiung von Striemen, Arbeit und der Grausamkeit der Herren und der Aufseher

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