Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
Die Bretter und Bohlen wurden üblicherweise von Sklaven mit Schrotsägen geschnitten, da es im ganzen Umkreis nicht genug Wasserkraft für eine Sägemühle gab. Wenn der Pflanzer also für sich eine Behausung hochzieht, gibt es genug Mehrarbeit für die Sklaven. Da ich unter Tibeats einige Erfahrung als Zimmermann gesammelt hatte wurde ich nach der Ankunft von Avery und dessen Gehilfen vom Feld abgezogen. Unter ihnen war einer, dem ich unendlich viel Dankbarkeit schulde. Wäre er nicht gewesen hätte ich aller Wahrscheinlichkeit nach mein Leben in Sklaverei beendet. Er war mein Erlöser, ein Mann dessen ehrliches Herz vor edlen und großzügigen Gefühlen nur so überfloss. Bis zu meinem letzten Atemzug werde ich mich an ihn mit Gefühlen der Dankbarkeit erinnern. Sein Name war Bass und er wohnte zu der Zeit in Marksville. Es ist schwer, eine treffende Beschreibung seines Aussehens oder Charakters zu geben. Er war groß, zwischen vierzig und fünfzig Jahren alt, schmächtig und mit schütterem Haar. Bass war sehr von sich überzeugt, unterkühlt, diskutierte gerne und viel und sprach immer sehr bedacht. Er war eine der Personen, deren Besonderheit es war dass alles, was sie sagten, niemals beleidigend war. Was von den Lippen eines anderen absolut nicht hinnehmbar war, durfte er ungestraft aussprechen. Es gab am ganzen Red River nicht einen Mann, der in Sachen Politik oder Religion die gleichen Ansichten vertrat wie er – und ganz sicher auch keinen, der nur halb so viel darüber redete. Man konnte darauf wetten, dass er grundsätzlich die unpopulärsten Aspekte örtlicher Anliegen unterstützte und es bereitete seinen Zuhörern eher Freude als Unbehagen, den geistreichen und originellen Argumenten für die Gegenseite zuzuhören. Er war Junggeselle – ein "alter Junggeselle", musste man sagen – und hatte weder ihm bekannte Verwandte auf der Welt noch eine feste Bleibe. Er streifte von Staat zu Staat, gerade so wie es ihm in den Sinn kam, und hatte als Zimmermann drei Jahre in Marksville gelebt. Wegen seiner Besonderheiten war Bass auch mindestens genau so lange in der gesamten Pfarrei Avoyelles bekannt. Er war so liberal, wie es nur ging und seine vielen guten Taten und seine Herzensgüte hatten ihn beliebt in der gesamten Gemeinde gemacht; ein Gefühl, das ihm immer unbehaglich war.
Bass war von Geburt Kanadier und hatte dort in jungen Jahren seine Odyssee begonnen. Nachdem er die wichtigsten Orte in den nördlichen und westlichen Staaten gesehen hatte verschlug ihn seine Wanderung in die ungastlichen Regionen am Red River. Das letzte mal, dass ich von ihm hörte, war aus Illinois. Ich bedauere sagen zu müssen, dass ich keine Ahnung habe, wo er jetzt lebt. Am Tag vor meiner Abreise sammelte er seine Siebensachen und verschwand klammheimlich aus Marksville, wohl wissend dass die Verdächtigungen bezüglich seiner Mittäterschaft dies notwendig machen würden. Wäre er in der Nähe der Sklavenauspeitscher am Bayou Boeuf gebliebe,n hätte man ihn für diese gerechte und rechtschaffene Tat ohne Zweifel gehängt.
Eines Tages, als wir an dem neuen Haus arbeiteten, führten Bass und Epps ein Streitgespräch, dem ich natürlich, wie man leicht erraten wird, intensiv zuhörte. Sie redeten über das Thema der Sklaverei.
"Ich sag Ihnen was, Epps", sagte Bass, "das ist alles falsch – alles falsch, Sir – das ist weder rechtens noch gerecht. Ich würde keinen Sklaven halten, selbst wenn ich Krösus wäre – was ich nicht bin, wie Ihnen meine Gläubiger gerne bestätigen werden. Das ist auch so ein Humbug, dieses Kreditsystem – Humbug, Sir; kein Kredit – keine Schulden. Kredite führen einen Mann in Versuchung. Bargeld ist das einzige, was ihn vom Bösen erlösen wird. Aber zu dieser Frage der Sklaverei : welches Recht habt ihr an euren Niggern, wenn ihr mal ganz ehrlich seid?"
"Welches Recht!", lachte Epps, "na, ich habe sie gekauft und bezahlt."
" Natürlich haben Sie das; das Gesetz erlaubt Ihnen ja, einen Nigger zu halten; aber, mit Verlaub, das Gesetzt hat Unrecht . Ja, Epps, dieses Gesetz lügt und es steckt nicht ein Funken Wahrheit darin. Ist alles rechtens, bloß weil ein Gesetz es erlaubt? Nehmen wir an, man würde ein Gesetz verabschieden, das Ihnen die Freiheit nimmt und Sie zum Sklaven degradiert?"
"Das ist ja kein sehr wahrscheinlicher Fall", meinte Epps, der immer noch lachte, "ich hoffe sehr, Sie vergleichen mich nicht mit einem Nigger, Bass."
"Nun", antwortete Bass
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