Zwoelf Schritte
Iðunn. «Wie heißt er?»
«Atli Eyjólfsson oder Eiríksson, ich werde in der Liste der Mitarbeiter nachschauen.»
«Okay», sagt Iðunn und schreibt etwas auf ihren Block. Wir bestellen beim Kellner etwas zu essen, und ich amüsiere mich insgeheim, wie unterschiedlich unsere Wahl ausgefallen ist. Iðunn wählt einen Salat und Sodawasser, ich weiß, dass sie es nicht mag, mitten am Tag so viel zu essen. Árni nimmt ein Bacon-Sandwich mit Pommes und Kaffee. Es ist offensichtlich, dass er sich keine Gedanken über seinen Cholesterinspiegel macht. Ich nehme indisches Chickencurry in scharfer Sauce und Cola und denke darüber nach, was ich mir heute Abend zu essen machen soll.
«Erzähl uns doch etwas über euer gemeinsames Leben. Jón Ágúst und du, ihr habt nicht zusammengewohnt?»
«Nein, da hatten wir unsere eigene Vorstellung. Wir brauchen … brauchten beide viel Platz und wollten unseren Freiraum. Nonni … Jón Ágúst arbeitete am liebsten nachts bei voll aufgedrehter Musik, ich gehe um elf schlafen und stehe um sechs auf – so unterschiedlich sind Bedürfnisse. Aber wir verbrachten den größten Teil der Freizeit miteinander, abwechselnd bei ihm oder bei mir, und wir sind zusammen verreist, fuhren im Sommer jeweils einen Monat ins Ausland, verbrachten zusammen die Feiertage.» Auf einmal hält er inne, neigt den Kopf und schaut erneut auf die Tischplatte. Er ist nicht schüchtern, sondern fühlt sich unwohl. Iðunn scheint es auch wahrzunehmen, denn sie legt ihre Hand für einen Augenblick auf seinen Unterarm. Wir essen, ohne viele Worte zu verlieren, und als der Kellner die Teller abgeräumt hat, fragt Iðunn:
«Gab es andere, waren noch andere im Spiel, in der Zeit, in der ihr zusammen wart?»
«Nein.» Man hat ihm diese Frage offensichtlich vorher schon gestellt.
«Bist du ganz sicher?», fragt Iðunn leise. Ich würde sie am liebsten anfahren, dass sie damit aufhören soll.
«Ja, ich hätte es gewusst, falls Nonni … Er rief mich mindestens fünf Mal am Tag an! Wir waren aufeinander eingespielt … ich weiß nicht, ob ihr versteht, was ich meine, aber ich hätte es gespürt. Und was mich betrifft, es gab nur ihn. Ich liebe ihn … auch wenn er nicht mehr länger da ist …» Er schaut nun konzentriert auf die Tischplatte, und ich höre, wie sein Atem schwer geht. Er ist rot im Gesicht, als ob sein großgewachsener Körper gleich explodieren würde.
«Er ist nicht mehr länger, das führt uns zu einer anderen Überlegung», sage ich, und er hebt halb erstaunt den Blick, da ich ihn bisher nichts gefragt habe. «Was vertrittst du für eine Position in Glaubensfragen?» Ich werfe Iðunn einen Blick zu, aber sie verzieht keine Miene, sie findet die Frage offensichtlich in Ordnung.
«Das ist wahrscheinlich so wie bei anderen Schwuchteln, Ablehnung auf beiden Seiten.»
«Inwiefern?» Ich bin etwas erstaunt, dass ein homosexueller Mann sich selbst als Schwuchtel bezeichnet.
«Was mich betrifft, so habe ich das Gefühl, dass Gott und die Kirche als sein Sprachrohr mich ablehnen, weshalb ich Gott schon in jungen Jahren den Rücken gekehrt habe und keinem Glauben nahestehe. So gesehen bin ich ungläubig.»
«Und Jón Ágúst?», wirft Iðunn ein.
«Man kann dasselbe von ihm sagen. Er hat die Kirche, eigentlich alle Religionen, abgelehnt. Er war so ein Typ, der alles anzweifelte, was er nicht berühren konnte. Aber im Gegensatz zu mir wollte er an etwas glauben. Ich denke, er hatte das Bedürfnis, irgendeine Erklärung für den Gang der Welt zu finden. Vielleicht hing es damit zusammen, dass er trocken war, mit den AA und alldem. Dort ist es ein absolutes Muss, an etwas zu glauben. Also liebäugelte er mit dem Gedanken, Buddhist zu werden, bekam das aber auch nicht so richtig auf die Reihe. Er sagte, dass die Ungläubigkeit ihn davon abhalte, mit den Schritten voranzukommen.»
«Seit wann war er trocken?», frage ich.
«Seit fünf Jahren.»
«Und hatte er noch nicht alle Schritte durchgearbeitet?» Ich bin erstaunt, da ich immer angenommen habe, dass alle dies im ersten Jahr tun.
«Nein, er hat immer wieder damit angefangen, doch dann verflüchtigte sich die Sache irgendwie. Er hatte den ersten Schritt schon oft durchgearbeitet, strandete aber immer bei der Glaubensfrage im zweiten Schritt. Doch zuletzt war er optimistisch und hatte eine neue Vertrauensperson gefunden, die das mit ihm durchziehen wollte.»
«Kannst du dich erinnern, wie er oder sie hieß?» Iðunn greift zu ihrem
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