Zwölf um ein Bett
die Hunde, und bei jeder Entdeckung steigerte sich ihre Aufregung.
»Aber ich habe noch etwas Hunger, Tante Hattie«, protestierte Evelyn.
»Komm, hier hast du Schokolade.« Oliver rief sie zu sich heran und gab ihr einen großen Riegel.
»Aber nicht deine Zuteilung«, stammelte sie hingerissen. »Keine Angst, ich bin nicht immer so freigebig. Dein Vater hat sie aus Amerika geschickt. Sie steht dir sowieso zu.«
»Hoffentlich bringt er eine Masse davon mit, wenn er mich holt. Nur deshalb würde ich auch mitgehen. Schokolade und Schokolade von morgens bis abends. Und Bananensplitter.«
»Du bist doch gar nicht alt genug, um dich noch an Bananensplitter erinnern zu können.«
»Tante Hattie hat mir davon erzählt. Sie hatte auch immer so gefüllte Schokoladenriegel in der guten alten Zeit. Aber ich glaube, das ist nichts Besonderes.«
Schon bei Stanfords Erscheinen war Violet gehemmt und unsicher geworden, aber das verstärkte sich beinahe noch, als sie jetzt nach einer kurzen Weile, die offensichtlich nicht dazu gereicht hatte, sich das Gesicht zu waschen und die Haare zu kämmen, in einem schlecht sitzenden blauen Kleid und braunen Schuhen mit flachen Absätzen wieder erschien.
Sie fühlte sich in Röcken nicht wohl und wußte auch, daß sie ihr nicht standen. Manchmal stellte sie sich vor einen Spiegel und überlegte, woran das eigentlich läge, aber sie konnte nicht dahinterkommen. Mrs. North hatte ihr Bestes getan, als Violet erwachsen wurde. Mit Hilfe verzweifelter Schneiderinnen hatte sie Feldzüge gegen Violets unbeholfene, flachbrüstige Figur unternommen, aber Violet hatte alle Kleider ruiniert und oft genug zerknüllt in eine Ecke geworfen, um sich in bequeme Säcke oder alte Wollpullover mit Lederkappen an den Ellenbogen zu flüchten. Einmal hatte sie sich Dauerwellen machen lassen, aber der Erfolg war derart, daß sie es nie wieder versuchte.
Als der Krieg kam und sie mit ihrer Arbeit bei Fred Williams begann, nahm sie diese zum bequemen Vorwand, um ihre Haare kurz schneiden zu lassen. Es war offensichtliche Verschwendung bei ihr, die Puderquaste zu schwingen, was sie manchmal ihrer Mutter zuliebe getan hatte. Heather machte dann gelegentlich krampfhafte Versuche, »etwas aus Violet zu machen«. Dann stand die ältere Schwester da wie ein geduldiges Pferd, dessen Mähne geflochten werden soll, während die jüngere ihr Kleider anprobierte und ihre Taille einschnürte, als ob sie einen Handkoffer verschnüren wollte. Sie spitzte ihren Mund, an dem Heather mit dem Lippenstift arbeitete, und senkte ihre Wimpern, während sie wie zum Maskenball hergerichtet wurde. Mit dem Resultat konnte sie sich nie anfreunden.
»Aber Vi!« entsetzte sich Heather, wenn sie sie eine halbe Stunde später traf. »Du hast dir ja dein Gesicht abgewaschen!«
»Hab’ ich, ehe mich jemand sieht.«
»Aber darauf kommt es doch gerade an; ich möchte, daß dich die Leute auch einmal so sehen. Ach, was hat das für einen Zweck?« resignierte sie und ließ die Schwester für einige Monate in Ruhe.
Stanford Black besah sich Elisabeth mit Interesse und machte einige verständige Bemerkungen über Krankenpflege. Er wußte über alles etwas zu sagen und hatte immer einen Freund, der sich mit dem beschäftigte, worüber man gerade sprach. Oliver war ausgesprochen froh, als sich alle zum Essen zurückzogen. Er freute sich jeden Tag auf das abendliche Zusammensein, aber er stellte doch fest, daß es ihn sehr schnell ermüdete, wenn mehr als eine Person zu gleicher Zeit in seinem Zimmer waren.
Seine Mutter brachte ihm seine Suppe auf einem Tablett mit gehäkeltem Deckchen und ein paar wilden Orchideen in der kleinen Kristallvase. Er hielt sie ans Licht, um sie zu bewundern. »Aus dem Wald?« fragte er.
»Mm. Ich hatte Heather gebeten, mir welche zu pflücken, weil sie heute nachmittag mit den Kindern dort war. Ich weiß doch, wie gern du sie hast.«
»Hab’ ich. Viel schöner als die Sorte aus dem Treibhaus, die immer auf schwarzsamtene Busen aufgesteckt werden.« Er grinste.
»Erinnerst du dich noch an den kolossalen Zweig, den du zu Heathers Hochzeit hattest? Grüne waren es. Aufregend üppig für Kriegszeiten.«
Sie stemmte ihre Hände in die Taille und ließ ihre Gedanken in die Vergangenheit schweifen. »Du hast sie mir besorgt. Es war in deinem ersten Urlaub. Ich hatte die Hochzeit deswegen in diese Zeit gelegt.«
»Nicht etwa Heathers wegen, natürlich«, murmelte Oliver und trank seine Suppe.
»Nun, sie konnte doch
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